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Mein Bischofsburger
Vater

Von Bernhard Zuralski

Ganz am Anfang meines Interesses am Bischofsburg stand ein Dokument aus den wenigen kriegsbedingt geretteten Habseligkeiten meiner Eltern. Ich bin im Jahre 1926 in Posen geboren worden, aber meine Eltern kamen hierher noch zur deutschen Zeit aus Ostpreußen. Im Geburtsschein meines Vaters Thaddäus Zuralski stand als Geburtsort Bischofsburg, Kreis Rößel, am Marktplatz No.4, Geburtsjahr 1894, Vater Dr.med.Valentin Zuralski. Meine weiteren Nachforschungen brachten mir ein Dokument vom Geheimen Staatsarchiv Preußischen Kulturbesitzes in Berlin, aus dem hervorging, dass der noch junge Arzt, promoviert in Berlin im Jahre 1886, den Auftrag der Bezirksregierung in Königsberg erhielt, in Bischofsburg ein privates Krankenhaus mit Apotheke und 44 Betten sowie 14köpfigem Personal zu gründen. (Foto l Krankenhaus). ehemals kath. Krankenhaus St. Josef, heute Biskupiecs Gymnasium Auch eine zweite Adresse aus den geretteten Dokumenten der Familie Zuralski betraf Bischofsburg, die Kirche St. Johannes. Die Taufscheine besagten, dass hier die beiden Kinder meines Grossvaters, Tante Irene 1891 und mein Vater Thaddäus 1894 getauft wurden.

Die Kindheit verbrachte mein Vater in seiner Geburtstadt, bestimmt an der Hand seiner Mutter, meiner Grossmutter Wanda Zuralski, geboren in Berent/Westpreußen, wie auch der älteren Schwester Irene rund um den Marktplatz (Foto 2, Marktplatz). Südwestliche Marktseite Dann aber kam die Schulzeit und zukünftiges Berufsstudium. Der Entschluss, Bischofsburg, wenn auch nur für begrenzte Zeit, zu verlassen, sollte eine Schicksalslebenslinie zur Folge haben, die künftig viele Höhen bringen und viele Grenzen überschreiten sollte, weit weg vom ruhigen und sicheren Bischofsburg.

Zuerst ging es nach Danzig an das Königlich-Preußische Gymnasium und nach dem Abitur nach Berlin zum Studium der Medizin. Der erste Weltkrieg brachte dem jungen Arzt den Einsatz im Frontlazarett am Kriegsschauplatz auf den Balkan, wo er kurz vor dem Kriegsende mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. Nach Rückkehr in den Zivildienst belegte er das Promotionssemester an der UNI Königsberg, mit dem Doktorgrad der Gynäkologie. Hier gab es eine Wiederbegegnung mit der seit Dänzig befreundeten Agnes Paul, geboren in Wormditt, einer damaligen Tennispartnerin, deren Eltern inzwischen nach Königsberg umgesiedelt waren, wo Franz Paul nach Danzig auch hier ein Hotel betrieb. Der junge Arzt heiratet dort meine zukünftige Mutter, die inzwischen Musik am Konservatorium in Wiesbaden und Berlin studiert hatte. Der junge Arzt erhielt inzwischen ein Angebot seines Berliner Professors mit ihm nach Posen zu gehen.

Der neue Wirkungsplatz als Oberarzt war die Frauenklinik der Universität. Daran hat sich auch nichts geändert als im Jahre 1919 Posen wieder polnisch wurde. Für meine Mutter bedeutete das, die polnische Sprache erst zu erlernen, was zur Folge hatte, dass sie als Sängerin Solistin an der Oper wurde. Bald entstand ein Familienleben, nachdem ich im Jahre 1926 und meine Schwester im Jahre 1929 geboren wurden. In den nächsten Jahren waren meine Eltern viel gereist, denn sie waren oft in Deutschland, wo drei Brüder meiner Mutter lebten, aber auch in Frankreich, sowohl in Paris wie auch an der Cote d' Azur, in Italien sowohl in Rom wie auch am Gardasee. Natürlich war da unterwegs auch Österreich mit Wien und Tirol. Wir Kinder blieben unter der Obhut des Personals zu Hause, aber durften oft mitreisen bei Besuchen der Grosseltern Zuralski im inzwischen polnisch gewordenen Löbau bei Osterode, und bei Grossmutter Paul in Königsberg.

Thaddäus Zuralski mit Hund Mira Unsere Familie in Posen gehörte zu der Prominenz der Gesellschaft, denn inzwischen hatte mein Vater eine eigene Frauenklinik eröffnet und auch an der Universität wurde er Professor. In der Universitäts-Bibliothek befinden sich noch heute viele wissenschaftliche Abhandlungen meines Vaters, aber auch mehr als 40 Veröffentlichungen beim Wissenschaftlichen Verlag in Posen. Diese Idylle dauerte bis August 1939, als meinem Vater eines Tages der Einberufungsbefehl zugestellt wurde. Als Arzt wurde er einem Kriegslazarett zugeteilt, und wir verabschiedeten ihn am Bahnhof bei einem Militärtransport. Er hat aber die Situation nicht ernst genommen und glaubte, bald wieder zu Hause zu sein. Als passionierter Jäger, (Foto 3 ,mit Hund Mira), ich war oft mit ihm als Beobachter bei er Jagd in den gepachteten Wäldern unweit Posens, freute er sich über den Standort der Einheit in den berühmten Wäldern von Bialowieza, bekannt vom Besuch des obersten Jägermeisters es Dritten Reiches Hermann Göring. Dort nahm er auf Einladung des polnischen Staatspräsidentenan an Jagden teil. Mein Vater nahm seine Jagdwaffen mit auf die Reise. Für uns daheim gebliebenen entstand eine veränderte Situation im nun deutschen Posen. Der Krieg nahm kein kurzes Ende, von nserem Vater gab es keine Nachrichten, obwohl er als Ostpreuße längst wieder zu Hause sein musste. Ehrentafel Katyn Meine Mutter hat die Klinik in ein Hotel-Pension umgestaltet. Ein erstes Lebenszeichen kam von unserer Oma aus Königsberg, die eine Postkarte von ihm erhielt, aber nicht aus deutscher, sondern aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, in die seine Einheit nach dem Einfall der Roten Armee in Polen geriet. Es war schon das Jahr 1940 als unsere Mutter im Auswärtigen Amt in Berlin eine Suchanfrage an die deutsche Botschaft in Moskau stellte, aber die Antwort der sowjetischen Behörde lautete - Person unbekannt. Ich war Schüler einer Oberschule in Breslau als eines Tages im Jahre 1943 aus Posen meine Mutter mit meiner Schwester kamen, mit der Hiobsbotschaft, dass die vordringenden deutschen Truppen an der Ostfront in dem Ort Katyn ein Massengrab mit tausenden ermordeten polnischen Offizieren entdeckt haben. Dem offiziellen Dokument einer unter deutschen Führung eingesetzten internationalen Kommission lag eine Namensliste vor mit dem Namen unseres Vaters (Foto 4, Katyn2001), 47 Jahre alt. Somit endet mein Erinnerungsbericht an meinen Bischofsburger Vater, der für uns beide Kinder, trotz seinem immer voll belegtem Tag, stets liebevoll und fürsorglich war. Ich darf noch überlegen, ob ich nicht direkter Bischofsburger geworden wäre, wenn er damals Bischofsburg nicht verlassen hätte.

Bernhard Zuralski, München 2013

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