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Reise nach
Biskupiec/Bischofsburg 2001

Ein Reiseerlebnis von Bernhard Zuralski

Die Nachforschungen auf den Spuren meines Großvaters (s. Bericht: "Mein Bischofsburger Großvater") führten mich in die Kreise der ehemaligen Bischofsburger, von denen ich erfuhr, dass sie seit Jahren Bischofsburg besuchen, viele Freundschaften dort mit den jetzigen Bewohnern, überwiegend selbst Vertriebene aus den Gebieten Ostpolens, geschlossen haben. Ich hörte von karitativen Aktivitäten der Bischofsburger, wie materielle Hilfen für Behindertenheim, Kindergarten und moderne Ausstattung für ein Krankenhaus.

Dank der freundlichen Einladung des Veranstalters der diesjährigen Reise "Bischofsburger fahren nach Bischofsburg", Herrn Egbert Huhn aus Lübeck, konnte ich an einem Teil dieser 12-tägigen Reise teilnehmen. Allerdings als ein Wahlmünchener musste ich mit meinem PKW den norddeutschen Reisebus, den 1300 Kilometer langen Weg von München aus, in Biskupiec erreichen. Aber was für ein Erlebnis erwartete mich dort !

Noch am Vortag meines Treffs mit den Bischofsburgern, schlenderte ich durch die Innenstadt von Biskupiec. Der Markt schön aufgebaut und bunt angestrichen. Zur größten Investition gehörte letztens die Verlegung der Gasleitung in die Stadt und die Anschlüsse an alle Häuser. In einer der Ecken des Marktes die mächtige, aus rotem Backstein gebaute Kirche des Hl. Johannes des Täufers, wo mein Vater getauft wurde.

Die nordöstliche Ecke des Marktplatzes mit der St. Johannes-Pfarrkirche

Die Tür stand offen, so wollte ich das Innere besichtigen. Ich sah aber Gläubige in den Bänken und einen Priester am Altar. Trotz ungewohnter Stunde am Sonntag, aber nach 14 Uhr, wurde hier eine katholische Messe gelesen und zwar in Deutsch. Ich nahm an ihr teil und war einer von 20 Gläubigen, darunter vier Jugendliche.

Nach der Messe versammelten wir uns alle vor der Kirche, und ich erfuhr vom deutschen Kaplan Schmeier, dass es seine kleine deutsche Gemeinde in Bischofsburg ist. Er selbst -aus Göttingen stammend- betreut seit fünf Jahren seelsorgerisch mehrere Gemeinden in der Erzdiözöse Allenstein.

Am nächsten Tag war die Kirche voll, und an der Hl. Messe nahmen sowohl die angereisten Bischofsburger wie auch die kleine deutsche Gemeinde teil. Einige polnische Bürger waren auch zugegen. Die Messe lasen der deutsche Kaplan Schmeier und der polnische Probst Badura. Als Lektor (Vorleser) wirkte der Teilnehmer der Bischofsburgerreise Reinhard Plehn aus Erkrath mit. Nach der Messe gab es wie am Vortag vor der Kirche eine allgemeine Begegnung aller Teilnehmer und beider Geistlicher. Ich hatte gleich den Anschein, dass sich hier viele kennen und wie Freunde begrüssen und das mitten im täglichen Treiben eines Arbeitstages an der Hauptstrasse von Biskupiec.

Gleich danach gab es eine Begegnung der angereisten Bischofsburger im Rathaus mit der Stadtverwaltung. Der Bürgermeister von Biskupiec, Antoni Parafimowicz, hatte auch die Bürgermeister anderer Städte aus dem Kreis Rößel geladen. Aus seinen Begrüssungsworten ging hervor, dass man dort die alljährlichen Besuche der ehemaligen Bischofsburger sehr schätzt, für die karitativen Hilfen sehr dankbar ist und dass man sich eigentlich als eine grosse Familie betrachtet. Und Herr Reinhard Plehn bedankte sich mit folgenden Worten:

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratsmitglieder der Stadt Bischofsburg, sehr geehrte Herren Bürgermeister und Ratsmitglieder der Städte und Gemeinden aus dem Umkreis von Bischofsburg, meine Damen und Herren, liebe Bischofsburger Heimatfreunde.

Stellvertretend für unseren hochgeschätzten Freund und Sprecher der Gemeinschaft der "Bischofsburger Heimatfreunde", Herrn Franz Nikolai, der leider im August des letzten Jahres plötzlich -und für uns alle viel zu früh und unerwartet- verstorben ist, und auch im Namen der hier anwesenden ehemaligen Bewohner dieser Stadt, sage ich Ihnen, geehrter Herr Bürgermeister, ein ganz herzliches Dankeschön für den freundlichen Empfang und für Ihre herzlichen Worte der Begrüßung !

Wir empfinden tief im Herzen das große Erlebnis des Wiedersehens mit unserer alten Heimatstadt Bischofsburg, die heute Biskupiec heißt. Sie ist, wie das Schicksal es fügte, auch Ihre Heimatstadt geworden. So verbindet uns heute die gleiche Liebe zu derselben Stadt.

Unsere Reisen nach Bischofsburg sind Höhepunkte in unserem Leben ! Es ist dies -wenn ich richtig gezählt habe -die 7. Gemeinschaftsfahrt, die unter dem Motto steht: "Bischofsburger fahren nach Bischofsburg" und die in all den Jahren in hervorragender Weise mit viel persönlichem Einsatz von unserem guten Freund, Herrn Egbert Huhn, organisiert und sehr gut vorbereitet, durchgeführt werden.

Es beglückt uns tief, daß wir nach all den schweren Jahren unsere alte Heimatstadt wiedersehen dürfen. Viele von unserer Reisgruppe waren schon oft hier; doch einige von uns sind zum ersten Mal mitgekommen. Sie sind tief davon bewegt, ihre alte Heimatstadt nach über 56 Jahren zum ersten Mal wiederzusehen - und sie sind überrascht, wie sich die Stadt ihrer Kindheit und Jugend in all den Jahren verändert hat.

Viele Erinnerungen werden in diesen Tagen in uns wachgerufen. Hier in dieser Stadt sind viele von uns geboren, haben hier eine glückliche Kindheit und Jugendzeit, Schule und Berufsausbildung, Freundschaften und auch ihre erste Liebe erlebt. Diese Stadt ist für viele von uns Heimat; Heimat -das Land in dem wir aufgewachsen, wo unsere Eltern waren, wo wir viele Freunde hatten- das Land in dem wir zu Hause waren.

Wenn wir durch die Straßen gehen, kommt die Erinnerung. Was bisher vergessen schien, ist alles wieder da. Der Schulweg und die noch vorhandenen Schulgebäude und so manches alte Haus wecken in uns Erinnerungen an Schulfreunde, Nachbarn und Kollegen, an Menschen, denen wir täglich begegneten, die hier lebten und wirkten.

Nach einem halben Jahrhundert wechselvoller Vergangenheit, in dem sich unsere Völker -Polen und Deutsche- nähergekommen sind, müssen wir an eine gemeinsame Zukunft denken. Die Zeit, die viele Wunden heilt, hat uns in den letzten Jahren näher gebracht.

Nachdem sich unsere Völker nähergekommen sind, sprechen wir nicht mehr nur von Versöhnung, sondern von einer Völkerfreundschaft, die wir alle ersehnen. Nachdem nun die dritte Generation hier aufwächst und heimatliche Wurzeln geschlagen hat, verbindet uns die gleiche Liebe zu derselben Heimat. Wir können uns daher als Schicksalsgemeinschaft verstehen, denn unsere beiden Völker wurden Opfer einer unmenschlichen Gewaltpolitik.

Unsere heutige Begegnung steht auch im Geiste der Freundschaft, zu der wir alle unser Bestes beitragen wollen. Wir begrüßen die Entwicklung der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, der Kunst und Kultur, der Jugendförderung, des Jugendaustausches und der freundschaftlichen Begegnungen unserer beiden Völker.

Erwähnenswert ist das gemeinsame Aufarbeiten der Geschichte. Die Erkenntnisse daraus sind sind wichtig für die geistigen Grundlagen der Freundschaft und ihrer Erhaltung. Das heißt für Deutsche und Polen, daß wir den Weg der Versöhnung weiter beschreiten sollten, damit über die Gräber hinweg eine Freundschaft entsteht, in der wir uns im gemeinsamen Haus der Europäischen Union wiederfinden. Darum sehen wir in einem gemeinsamen Europa unsere Zukunft.

Im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel, wie zum Beispiel dem "INTERNET", ist es daher sehr erfreulich und begrüßenswert, daß sich beide Seiten mit der Aufarbeitung der Geschichte Bischofsburgs beschäftigen. So ist erfreulicherweise die Hompage von Herrn Damian Wollejszo im "World Wide Web" unter www.biskupiec.wim.pl mit Informationen und der Geschichte der Stadt Biskupiec von polnischer Seite aus, sowie die von Herrn Heinrich Ehlert gestaltete WEB-Seite unter www.bischofsburg.de mit vielen Fotos, Informationen und der Geschichte unserer Heimatstadt Bischofsburg von deutscher Seite aus, im Internet zu finden. Das ist sehr lobenswert !

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch erwähnen, daß durch fast regelmäßige Reisen und Besuche einer kleinen Gruppe ehemaliger Bischofsburger persönliche Begegnungen mit den Bürgern dieser Stadt stattfinden und Freundschaften geschlossen wurden. Vielfältige Hilfstransporte in den letzten Jahren in die verschiedensten Einrichtungen wie das Krankenhaus, die Kinderheime und die Sozialstation dieser Stadt haben außerdem weitgehend dazu beigetragen, daß wir einander nähergekommen sind, Verständnis für die Nöte der Menschen geweckt wurden und zu einem freundschaftlichen Miteinander beigetragen haben.

Ich möchte nun mit einem Zitat schließen, das da lautet: "Des Menschen Geist bestimmt sein Handeln, sein Werk gedeiht in Gottes Licht. Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen, aber unsere Seelen nicht!"

In diesem Sinne bitte ich Sie, geehrter Herr Bürgermeister, unsere herzlichsten und freundschaftlichen Grüße an den Stadtrat und an die Bürger dieser, unserer gemeinsamen Heimatstadt zu übermitteln. Wir, die Bischofsburger Heimatfreunde, wünschen der Stadt und ihren Bürgern von ganzem Herzen Wohlergehen, eine gute, gesicherte Zukunft, sowie Gottes reichen Segen."

Die Erziehung ist eine Kunst und die Kunst ist der aktivste Erzieher

Unter vielen Höhepunkten des mehrtägigen Programms in Bischofsburg und dem Umland, wäre eine Begegnung mit der polnischen Jugend im staatlichen Gymnasium der Stadt zu erwähnen. Die Schüler vieler Klassen hatten für uns eine 2-stündige Vorstellung -teilweise in Deutsch- vorbereitet, mit Chorgesängen, akrobatischem Ballett und internationalen Popschlagern. Die Dankesrede für uns alle hielt unser Reiseleiter, der auch die Geschenke wie Sportausrüstung und Bildbände aus Deutschland verteilte.

Darbietungen der Jugend für unsere deutsche Reisegruppe

Eine andere Art von Erlebnis war die Bootsfahrt auf dem Flüsschen Kruttinna in der Johannisburger Heide, mitten durch eine unberührte Landschaft Masurens, wo wir stillschweigend an brütenden Schwänen und unbekannten buntgefiederten Wasservögeln vorbeizogen. Eine Überraschung bereitete uns die Anführerin der Stakenbootsleute in ihrem bunten Kleid und einer weissen Kapitänsmütze auf dem Lockenkopf. Den langen Staken ab und zu stossend trug die Stakerin, Frau Kristina, uns Gedichte in der ostpreussischen Mundart vor und schloss mit einem Lied "mein geliebtes ostpreussisches Heimatland". Es war eine Begegnung nicht nur mit der Natur, aber auch mit den dortigen Landsleuten.

In Biskupiec hatten wir auch eine Begegnung mit jungen Bürgern der Stadt, die an einer Zusammenarbeit mit deutschen Partnern interessiert sind, um gemeinsam am Bild der Stadt und an seiner Geschichte zu wirken. Damian Wollejszo, ein 19-jähriger Abiturient, hat eine Homepage unter www.biskupiec.wim.pl aufgebaut, wo auf vielen Seiten über die Geschichte der Stadt, die täglichen Ereignisse und Sehenswürdigkeiten - auch in einer Deutschfassung - berichtet wird. So findet man dort beispielsweise auch einen ausführlichen Bericht über den diesjährigen Besuch der Bischofsburger in ihrer Heimatstadt. Damian hat nun eine Zusammenarbeit mit der von Heinrich Ehlert aus Arnsberg gestalteten Web-Site www.bischofsburg.de vereinbart. Dies ist wohl eine ungewöhnliche, aber auch sehr begrüssungswerte Initiative.

Frau Ursula Laskowska, Absolventin der Theologie an der Uni Allenstein, ist dabei, eine Monographie von Bischofsburg/Biskupiec zu schreiben. Ihre umfangreiche Arbeit über das benachbarte Städtchen Wartenburg und seine 700-jährige Geschichte -auch mit einer deutschen Zusammenfassung- liegt vor. Nun ist die Autorin an jeglichen Zuschriften der ehemaligen Bischofsburger interessiert, um möglichst über viele tägliche Ereignisse und Schicksale aus der bewegten Zeit der Stadt berichten zu können. Eventuelle Beiträge können an die e-mail-Adresse bischofsburg@t-online.de gerichtet werden.

In der Region ist eine Volksmusikgruppe mit ermländischen und masurischen Repertoir tätig. Sie treten in masurischen Trachten auf, heissen JEZIORANY, also "Die Seeburger" und ihr künstlerischer Leiter heisst Andreas Pollakowski, er ist deutscher Abstammung. Vor deutschem Publikum, überwiegend in den grossen Hotels der Seenlandschaft, tragen sie manche Lieder auch in Deutsch vor.

Das bewegte Programm der Bischofsburger in Biskupiec hat mich aber nicht abhalten können, weiter nach der Wirkungsstätte meines Grossvaters zu forschen. Und siehe da, aus dem Archiv der katholischen Gemeinde erhielt ich vom Probst Badura eine Kopie der Satzung des von meinem Großvater gegründeten Krankenhauses aus dem Jahre 1942 mit Unterschriften des Kirchenvorstandes und des Bischöflichen Ermländischen Generalvikariats. Viele von unseren polnischen Gesprächspartnern sind nach dem Kriege noch in diesem Krankenhaus geboren worden. Heute ist es der Sitz des neuen katholischen Gymnasiums zu Biskupiec, zur Zeit mit circa 100 Schülern.

Die Schulleiterin Anna Zarosa, die neben Englisch auch Deutsch eingeführt hat, hofft, dass dies helfen wird, eine Schule in Deutschland als Partnerschule zu finden. Dies wäre auch für die Kinder der deutschen Minderheit aus der ganzen Region von Bedeutung.

So ging meine Reise in die Vergangenheit zu Ende, vielleicht nicht die letzte, denn von Herrn Egbert Huhn hörte ich, dass es im nächsten Jahr eine Reise "Seeburger fahren nach Seeburg" geben wird, zur Enthüllung einer Gedenkstätte Seeburg, von wo ja damals auch Patienten zum Krankenhaus meines Grossvaters nach Bischofsburg kamen.

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