Groß-Parleese (heute Parleza)

Aufgezeichnet von Gerhard Paleschke

Groß - Parleese ist ein relativ kleiner Ort, 6 Kilometer von Bischofsburg entfernt, der eigentlich nur aus dem Leichtziegelwerk und den 20 Häusern besteht, die mein Vater damals im Laufe seiner Tätigkeit als Betriebsleiter des Werkes für einen Teil seiner Angestellten bauen ließ.

Ferner befanden sich auf dem großen Hof Stallungen für Pferde, Kühe, Schweine, Hühner, Gänse und eine große Scheune. In der Mitte des Hofes stand eine Kantine, wo die Angestellten und Arbeiter ihr Essen einnehmen konnten. Am Rande stand das kleine Wohnhaus des Buchhalters "Herrn Boek" mit seiner Familie. Etwas abseits neben einer Lehmgrube die Nutriazucht von unserem Vater.

Mein Vater "Theodor Paleschke," hat das Leichtziegelwerk 1928 übernommen, modernisierte es im Laufe der Jahre und erhöhte die Kapazitäten. Mit seinen ca. 80 Mitarbeitern hatte er das Werk in seiner Zeit zu einem anerkannten modernen Betrieb ausgebaut, was ihm großes Ansehen brachte. Es wurden bis zu acht Millionen verschiedene Einheiten im Jahr hergestellt, Drainagerohre verschiedener Lichtweiten, Deckensteine (Dachpfannen) verschiedener Systeme, sowie Formsteine (Ziegel). Das Werk besaß eine künstliche Trockenanlage mit 22 Kammern, die automatisch beheizt wurden, einen Ring - einen Zickzackofen und ein Vorratssilo für Lehm und Ton. Dadurch konnte auch in den Wintermonaten produziert werden Um das dazugehörige Ackerland zu bewirtschaften, waren ca. 8 Pferde vorhanden.

Herr,, Lolley," (den Vornamen weiß ich nicht) der in Bischofsburg wohnte, und Herr Westermann, der in der Siedlung wohnte, waren als Kutscher angestellt und zuständig für die Pferde und deren Einsatz in der Feldarbeit und den Transport mit den Erzeugnissen des Werkes zu den Kunden. Herr Lolley half auch manchmal meinem Vater bei der Aufzucht der Nutrias und meiner Mutter im großen Garten. Als Buchhalter im Büro war Herr " Boek, " zusammen mit meiner Schwester Ruth zuständig.

Im Laufe des Krieges (ab 1939) wurden verschiedene Arbeiter zur Wehrmacht als Soldat eingezogen und durch Kriegsgefangene aus Polen und Frankreich ersetzt. Diese wurden von meinem Vater genauso behandelt wie seine eignen Leute, denn sie lösten ihre Aufgaben genauso gut. Sie bekamen nicht nur das gleiche Essen wie die anderen, sondern auch eine angemessene Unterkunft im ehemaligen Haus vom Büroleiter Boek. Mein Vater bekam den Auftrag von oberster Stelle, dieses zu ändern.

Danach musste für die Gefangenen extra ein Essen gekocht werden und die Behandlung sollte auch Unterschiede aufweisen. Protest seitens meines Vaters half nichts. Er wurde auch dauernd aufgefordert, in die Partei (NSDAP) einzutreten, sonst könnte es Schwierigkeiten geben, was er immer wieder aus menschlichen und religiösen Gründen ablehnte. Mein Vater ließ sich nicht einschüchtern. Die Konsequenz daraus war, dass ihm zum 31.12.1940 gekündigt wurde.

Familie

Innerhalb des Areals des Werkes befand sich das Wohnhaus der Familie 

mit 2 Büroräumen. Die Familie bestand aus den Eltern und den Kindern Ruth, Christel, Herbert und Gerhard, der diese Aufzeichnung macht, und einer Hausangestellten. Die beiden älteren Kinder, Erna und Edith waren schon außer Haus. In unserem Wohnhaus in Groß - Parleese bin ich 1930 geboren und verlebte dort eine glückliche Kindheit. 1937 wurde ich eingeschult und besuchte die evangelische Volksschule in Bischofsburg. Meine Geschwister Christel und Herbert gingen zur Oberschule.

Umzug nach Memel

Trotz der Kündigung konnten wir noch bis zum Frühjahr 1941 wohnen bleiben und zogen dann nach Memel - Luisenhof, wo Vater eine Ziegelei von der Stadt Memel gepachtet hatte. Leider konnte er die Produktion wegen des Mangels an Arbeitskräften nicht wieder aufnehmen, da die meisten der ehemals dort Beschäftigen zur Wehrmacht eingezogen worden waren, denn der Krieg mit Russland stand unmittelbar bevor. Die Lage der Ziegelei war hervorragend, nur 2 km von der Stadt entfernt, mit Bahnanschluss und Haltestellen von Bus und Kleinbahn. Dazu kam der mit einer Fähre über das Kurische - Haff erreichbare Sandstrand der Ostsee.

Bis zur Vertreibung hat Vater eine Zeitlang in der Schiffswerft und später im Büro der gegenüber unserem Haus gelegenen Sperrholzplattenfabrik gearbeitet. Im Spätsommer 1944 wurden wir aus Memel vertrieben. Ein Teil der Familie landete in einem Dorf, namens "Gleisberg" in Sachsen, liegt ca. 60 km von Dresden entfernt. Im Laufe der Zeit zogen die Eltern dann in das Nachbardorf "Marbach," wo meine Schwester Christel und mein Bruder Herbert als Lehrer arbeiteten. Mein Vater starb am 10.05.1958 im Alter von 81 Jahren. Kurze Zeit später zog meine Mutter nach dem Westen, nach Arnsberg in Westfalen. Die letzten Jahre wohnte sie in Lünen, bei ihrer Tochter Ruth. Sie starb am 05.04.1971 im Alter von 86 Jahren.

Meine Eltern hatten sich das alles anders vorgestellt, denn in Bischofsburg besaßen sie in der Gerichtstraße ein 2geschossiges Wohnhaus mit großem Garten. Im Krieg wurde es zerstört und die Polen haben auf dem Grundstück neue Häuser erstellt. Bischofsburg heißt heute auf polnisch Biskupiec.

Nach Parleese, über Memel, Gleisberg in Sachsen, Lünen in Westfalen, und Arnsberg, führte nun mein Weg nach Gütersloh, wo ich seit dem 18.12.02 wohne und mit meiner Frau zusammen das Rentnerleben genieße.

Gerhard Paleschke, Kiebitzstraße 58, 33334 Gütersloh

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