Statistisches über Bischofsburg, Kreis Rößel

1. [Name, amtlich., umgangssprl.] Bischburg (1595, 1684).

2. [Lage] B. liegt auf dem balt. Landrücken, im hügeligen Gelände, am Flüßchen Dimmer, da, wo die beiden Ufer, sonst sumpfig oder ungleich hoch, sich nähern und aus festem Land bestehen. Der Krackssee, heute 800 m entfernt, reichte urspr. wohl bis zum Rande der Stadt. H. 155 m. Wasserschutz durch Dimmer u. Mühlenteich. Lage an der alten Verkehrsstraße Königsberg-Warschau, wo diese zu damaliger Zeit in die "Wildnis" eintrat.

3. [Ursprung] Bfl. Burg B. vor 1389 als Wacht- u. Wildhaus u. Sperre gegen die Litauer. Entstehung der Stadt aus älterer Siedlung nicht nachweisbar.

4. [Stadtgründung] Bf. Heinrich III. Sorbom von Ermland verlieh der Stadt (civitas) 1395 Kulmer Recht.

5. [Siedlung] Planmäßige Anlage in Anlehnung an Burg, Umriß unregelmäßig, Straßennetz Gitterform mit 2 auf dem Markt sich rechtw. schneidenden Hauptstraßen, Grundfläche 300x310 m. Entfernung zwischen dem früheren Rößeler und Ortelsburger Stadttor 300 m. 1617 nur noch Reste der alten Stadtmauer. Rechteck. Markt räumlicher und baulicher Mittelpunkt, füllt den mittelsten Baublock. Die Vorstädte mit 65 Häusern zuerst 1772 nachweisbar. B. durch Feuer vollständig vernichtet: 1414 (Hungerkrieg), 1454-66 (Städtekrieg), 1502, 1521 (Reiterkrieg), 1557, 1571, 1659 (2. Schwedenkrieg), 1692, 1766. 8 weitere große Brände. Nach dem großen Scheunenbrand (1823) u. den folgenden Bränden wurden die Scheunen außerhalb der geschlossenen Ortslage erbaut. Nach dem großen Brand am Markte (1824) verschwanden die unregelmäßigen Häusergruppen auf dem Marktplatze (Hakenbuden, Brotbänke, Brauhaus, Spritzenhaus, Wache mit Gefängnis). Rathaus auf dem Marktplatz 1609 u. 1633 erwähnt, 1772 nicht mehr vorhanden. Kath. Kirche: Bf. Lukas Watzelrode schenkte 1505 den B.ern zum Wiederaufbau ihrer abgebrannten Kirche die Baustoffe der abgebrochenen Kirche zum Hl. Geist in Heilsberg. Wahrscheinl. Holzkirche, die wohl bald durch Feuer vernichtet wurde. 1580 Weihe der "neuen" Kirche zum hl. Johannes dem Täufer, 1721 der erste massive Turm, 1728-35 Erweiterung der Kirche nach O, 1881-82 Anbau der Seitenschiffe. Hospital: 1586 am Rößeler Tor durch Bf. Kromer gegr. u. 1910 mit dem Waisenhaus vereinigt. Ev. Kirche: Basilika (1846), Turm (1872).

6. [Bevölkerung] a)

1772: 1064 E.1802: 1607 E.1810: 1626 E.1819: 2002 E.
1831: 2077 E.1840: 2467 E.1849: 2604 E.1861: 3177 E.
1871: 3787 E.1880: 4071 E.1890: 4249 E.1900: 5250 E.
1910: 5428 E.1919: 5149 E.1930: 5866 E.1936: 7517 E.

Gründung wohl durch Ndt. aus der damals schon stark besiedelten Rößeler u. Wartenburger Gegend. Kriege und Seuchen entvölkerten oft die Stadt. Einwanderung von Masowiern, die ihren Höhepunkt in der 1. H. 16. Jh. nach dem Reiterkrieg erreichte. Trotzdem auch ferner vorwiegend dt. Volkstum. 1772: 496 M., 568 F. Pest: 1625, 1627, 1657, 1709-10 (1000). Cholera: 1831-32 (82), 1848-49 (144), 1852-53 (40), 1855 (31), 1866 (197), 1873 (139). Ruhr: 1807 (203?).
b) kath. Kb. seit 1643, ev. seit 1792.

7. [Sprache] Hdt.

8. [Wirtschaft] Haupterwerb bis M. 19. Jh. Ackerbau, Viehzucht, Leinwand- und Garnhandel; dadurch um 1800 gewisser Wohlstand. Jl. 2 Leinwandmärkte zu 8 Tagen. Gewerbl. Betätigung in früheren Jh. gering. Seit 1865 Ofenfabrik, 1885 größere Brauerei. Aufsteigende Entw. seit 75 Jahren. B. wurde als Kreisstadt (Landratsamt seit 1862) Sitz zahlreicher Behörden, Garnison 1899-1918 u. seit 1934; vorteilhafte Verkehrslage unweit der Schnellzugstrecke Berlin-Insterburg (seit 1871), an den Eisenbahnlinien Königsberg-Rudczanny u. Rothfließ-Ortelsburg u. an der Kreuzung von Fernverkehrsstraßen.

9. [Verwaltung] a) Die Stadt brachte das Schulzenamt bald an sich. Verwaltung fortan durch Ratmannen od. Konsuln, an deren Sitze der Bgm. od. Prokonsul stand. Magistrat 1772: 2 Bgm., 6 Ratmannen u. 1 Stadtnotarius. Die Bgm. wechselten jl. mit dem Vorsitz im Rate; ihre Wahl bedurfte wohl von A. der bfl. Bestätigung. Die Ratmannen wurden anfängl. von der Bürgerschaft gewählt. Später ging das Wahlrecht an den Rat u. den Landesherrn über. Der Rat schlug dem Bf. 3 Kandidaten vor, u. der Bf. ernannte auf Lebenszeit das neue Stadtoberhaupt od. den Ratmann. Die Zuwahl neuer Ratsmitglieder u. die Neuverteilung der Ämter unter die Ratmannen jl. am Tage vor Petri Stuhlfeier (22. Febr.) oder am Montag nach Lätare (4. Fastensonntag). Beim Übergang des Ermlands an Preußen 1772 trat an die Spitze der Stadt ein Justiz- u. Polizeibgm. Verwaltung u. Rechtspflege blieben vereinigt, bis zur Einf. der Städteordnung 1809.
b) Die Rechtsprechung über Leib u. Leben unterstand anfängl. allein dem Landgericht unter dem Vorsitz des Bistumsvogtes u. wurde erst in späteren Jh. dem Schöppengericht, daß sich 1772 in B. aus dem vom Rat aus seiner Mitte gewählten Stadtrichter u. 6 Schöppen zusammensetzte, übertragen. Die Aburteilung geschah im Beisein des Vogtes. Todesurteile bedurften seiner Zustimmung. Auch die sonstigen Strafsachen wurden vom Schöppengericht, die Zivilsachen vom Bgm. und Rat erledigt. Daneben Wettamt für Markt- u. Straßenpolizei.Zünfte u. Innungen waren für Beleidigungs- u. Bagatellprozesse (Übertretung der Gewerbeordnung u. der Lebensmittelgesetze) ihrer Mitglieder zuständig.
c) Wenn wichtige Angelegenheiten zur Beratung standen, wurden die Älterleute als Vertretung der Bürgerschaft (1808 waren es 4) zu den Ratssitzungen hinzugezogen, gelgentl. auch die gesamte Bürgerschaft befragt.

10. [Landesherrschaft] 1395-1772 zum Fürstbt. Ermland, das bis 1466 unter der Schutzherrschaft des Dt. Ritterordens, 1466-1772 unter Oberhoheit des Kg. von Polen stand. Im Hungerkrieg (1414) u. im 13j. Städtekrieg (1454-66) wurden Stadt u. Burg eingeäschert. B. gehörte nur bis 1455 zum Preuß. Bunde. Im Reiterkrieg (1520-25) zwischen Albrecht von Brandenburg u. Polen wurde B. wieder dem Erdboden gleichgemacht. Zur Förderung der Wiederbesiedlung verlieh der Bf. der Stadt 1521 die bfl. Amtsmühle. Große Leiden brachten dann die 3 schwed.-poln. Kriege u. der Tartareneinfall 1656. Als Folge einer Kampfhandlung zwischen Schweden u. Brandenburgern brannte 1659 die Stadt ab. Mit dem 1772 erfolgten Übergang Ermlands an Preußen setzte für B. ein wirtschaftl. Aufschwung ein. Infolge der Kontinentalsperre stockte der Handel mit Garn u. Leinwand, u. der auf ihm beruhende Wohlstand B.s wurde vernichtet. 1807 u. 1812 wurde B. von durchziehenden Franzosen geplündert. Im Weltkrieg Gefecht bei Sauerbaum am 26.8.1914. Durch den Russeneinfall 7 Personen getötet, 9 Geschäftsgrundstücke zerstört.

11. [Kriegswesen] Die Wehrhoheit übte bis 1772 der Bf. als Landesherr aus. In B. eine Miliztruppe. Für den Kriegsdienst hatten die Inhaber der städt. Höfe wahrscheinl. Reiterdienst, die übrigen Bürger Fußdienst zu leisten. Schützengilde 1852 gegr. Garnison: II. Batl. 146. Inf.-Rgt. 1899-1909, II. Batl. 151. Inf.-Rgt. 1909-14.

12. [Siegel, Wappen, Fahne] Wappen zeigt eine Burg mit Ringmauer u. Zinnentürmen, darunter einen Schild mit Stufengiebel: Familienwappen des Stadtgründers Bf. Heinrich III. Sorbom. Zwischen Burg u. Schild Bischofshut. Die Fahne zeigt das Wappen auf weißem Tuche.

13. [Finanzwesen] Zur Bischofszeit Grundzins, Bankenzins, Akzisen als Verbrauchssteuern.

14. [Stadtgebiet] Seit 1395: 160 Hufen. 1397 gab der Bf. 9 Hufen davon zur Gründung des Dorfes Paudling aus. 1494 verlieh er der Stadt 51 Hufen. Zwischen 1570 u. 1580 setzte diese auf 30 Hufen im S. der Feldmark das Stadtdorf Schönburch an u. vertauschte diese 1587 gegen 30 bfl. Hufen (Brandtheyde) n. A. 18. Jh. 2 weitere Stadtdörfer gegr. Zabrodzin auf dem s., Bukowagurra (Buchenberg) auf dem n. Teile der Feldmark zu je 4 Hufen. 1928 wurden die Gutsbez. Gr. Parleese, Lipowo u. Oberförsterei Sadlowo eingemeindet. Stadtgebiet heute 3921 ha.

15. [Kirchenwesen] Bt. Ermland. Nach der Vereinigung Ermlands mit Preußen Zuzug Ev., bes. von Leinewebern aus der Lausitz. 1787 ev. Bethaus, 1842-46 Kirche.

16. [Juden] Bis 1772 keine Juden. Zahl u. Einfluß seit jeher gering.

17. [Bildungsanstalten] Bis E. 18. Jh. nur lat.-kath. Pfarrschule. Schulgebäude zuerst 1565 nachweisbar. Erst nach den Befreiungskriegen besuchten auch Mädchen die Schule. Seit 1859 Trennung in Knaben- u. Mädchenschule. Ev. Volksschule seit 1792. Gewerbl. Fortbildungsschule seit 1902, kaufm. seit 1909. Städt. Reformrealprogymnasium: Nach 1890 Familienschule, 1901 Privatschule, 1909 städt. höh. Schule, 1935 anerkannte höh. Lehranstalt.

18. [Zeitungen] Allg. Anz. für Stadt u. Land nach 1890, fortgeführt als B.er Ztg., Allg. Anz. für Stadt u. Land seit 1913.

19. [Quellen] c) R. Teichert, G. der Stadt B. (1936).

20. [Sammlungen] Magistrat; ferner Material im Bfl. Arch. in Frauenburg, Staatsarch. in Königsberg.

21. [Bearbeiter] R. Teichert.

R. Teichert, "Bischofsburg, Kr. Rößel", in: "Deutsches Städtebuch", Band I, S. 27f., 1939, hg. von Professor Dr. Erich Keyser