Nach 42 Jahren -Alte Heimat neu erlebt-

Wir waren in der Heimat - in Bischofsburg

Von Elisabeth Krogull,
die am 17.07.1924 in Bischofsburg geboren ist, bis 1945 in der Mühlenstraße 7 wohnte, in der Stadverwaltung arbeitete und über ihre Eindrücke beim ersten Wiedersehen mit ihrer Heimatstadt seit ihrer Flucht berichtet.

Es war schon lange unser Wunsch, die Heimat wiederzusehen. Endlich war es soweit! Am 26. Mal 1987 traten wir drei Bischofsburger, Ursula und Waldemar Winkler und ich, die zweiwöchige Reise in die Heimat an. Wir hatten uns der "Heimatrunde" angeschlossen, einer Sonderbusfahrt, die Egbert Huhn (früher Seeburg) gezielt in unsere Heimat organisierte. Unsere Reisegruppe war schnell eine große Familie mit den gleichen Interessen. Wir waren Heimatfreunde! Zu unserer Freude konnten wir noch eine vierte Bischofsburgerin begrüßen: Gisela Rosenberger.

Nach einer Übernachtung in Posen fuhren wir über Strasburg, Osterode in Richtung Allenstein. Allmählich wurden wir unruhig, denn Allenstein war für uns ja schon Heimat. Für vier Tage war hier das Hotel Kormoran unser Domizil. Unser Reisebus stand uns täglich für Fahrten mit einem gut abgestimmten Programm zur Verfügung, und wir hatten in unserer Gemeinschaft viel Freude an der Natur und Kultur in Masuren, im Ermland und in der Region Danzig.

Zunächst machte unsere Reisegruppe eine Rundfahrt über Guttstadt, Heilsberg, Seeburg, Bischofstein, Rößel und Bischofsburg. Aber wir Bischofsburger wollten zuerst unseren Heimatort wiedersehen. Insgesamt waren wir drei Tage in "unserer Stadt", und was wir in diesen Tagen sahen und erlebten, will ich nachstehend berichten.

Mit dem Linienbus fuhren wir die 37 km über Wartenburg nach Bischofsburg. Die Haltestelle war am Bahnhof. Wir fuhren als zunächst durch die Stadt, und alles kam uns zunächst sehr fremd vor, Wehmut zog in uns ein. Als wir am Bahnhof dem Bus entstiegen, konnten wir es nicht fassen, in unserer Heimatstadt zu sein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, nach so vielen Jahren hier am Bahnhof zu stehen. Aber wir nahmen unser Herz in die Hand und machten uns auf den Weg zur Innenstadt.

Zuerst sind uns die vielen Taxen am Bahnhof und der rege Personenverkehr aufgefallen; aber alles ohne Hast und Hetze, in einer gemütlichen Ruhe. Den Bahnhof (leider darf man ihn nicht fotografieren) und die Bahnhofstraße bis zum Kreishaus sahen wir unverändert. Allerdings ist ein Teil des ev. Friedhofs zu einem Kinderspielplatz geworden. Im "alten Postamt" kauften wir Briefmarken. Das Kriegerdenkmal ist bis auf den letzten Stein abgetragen. Auf den Grundstücken Gallien und Rogalla fällt sofort das neue Kino auf. Im weiteren Straßenverlauf sahen wir teils alte, aber auch neue Häuser. Als wir dann zur Johannesbrücke kamen, wurde uns alles wieder sehr vertraut: Die Pfarrkirche St. Johannes, das Haus der "Färberei Milkau". An der Hausecke steht noch der hl. Nepomuk. Auch das große Wohnhaus, in dem der Friseur Lewring sein Geschäft betrieben hat, steht noch wie eh und je da. Auch heute ist da ein Friseurgeschäft.

Dann betraten wir unsere Kirche und suchten in jeder Ecke Erinnerungen. Es sind noch einige Fenster mit der schönen Bleiverglasung vorhanden. Die Kreuzwegstationen sind noch alle da und sehr gut erhalten. Auch der Marienaltar mit "unserer Maria" steht an der alten Stelle. Im Lichterkranz aber fehlen die Glühbirnen und die silbernen Blättchen. Bänke, Beichtstühle und die Kanzel erkannten wir wieder. Sogar das Vortragskreuz steht noch in der alten Halterung an der ersten Bankreihe. Der Hochaltar ist neu. Die Kirche war durch Kriegseinwirkungen sehr beschädigt, und viele Jahre fehlte der Kirchturm. Nun ist er wieder da und dem alten Turm sehr ähnlich. Vor zwei Jahren wurde die Kirche renoviert.

Als wir diese heilige Stätte verließen, erblickten wir den total veränderten Marktplatz. In der Mitte fehlt der Geschäftsblock. Da sind nun Blumenrabatten und Bänke. Es war alles schön angelegt, aber ungepflegt. Auch die südöstliche Marktseite (Zywinna) wurde zerstört und nicht mehr aufgebaut. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen nur die beiden Häuser Rogalla und Torkler, und an der nordöstlichen Marktseite die Sparkasse und die Apotheke. In den Räumen der Sparkasse ist nun eine Nähstube. Alle anderen Häuser sind hier neu. Auf der "Reblin-Seite" sind auch alles Neubauten. Die Stadt wurde durch Kriegshandlungen, aber auch in den Jahren danach, zu etwa 50 Prozent zerstört. Vieles wurde neu aufgebaut, und wir hatten den Eindruck, Bischofsburg sei größer geworden. Es ist Verwaltungs- und Garnisonsstadt geblieben und hat etwa 10.000 Einwohner.

Als wir am Marktplatz so unschlüssig herumstanden, sprach uns ein Herr an. Es war Paul Gollan aus Neudims. Wir freuten uns sehr über diese Begegnung und haben ihn ins Cafe eingeladen. Dieses Cafe befindet sich auf dem früheren Grundstück Krause, an der Ecke Klefeldstraße. Für uns war es nun das Cafe Krause. Paul Gollan packte uns dann in sein Auto und brachte uns zu seinem Bauernhof. So konnten wir auch einen Spaziergang am Daddai-See machen. Wir trafen in Bischofsburg auch noch andere hängengebliebene Deutsche, Gertrud Glaw, Margarete Schaffrinna,Anna Both. Wir hatten uns viel zu erzähIen und verabschiedeten uns mit einem herzlichen "Auf Wiedersehen".

Als nächstes besuchten wir den kath. Friedhof. Der vordere Teil dieser Stätte ist sehr gepflegt. Helle Grabsteine schmücken die Gräber. Auf dem hinteren Teil ruhen noch die Toten aus unserer Zeit. Hier findet man nur ein Unkrautfeld. - Der weitere Weg war die Brunnenstraße, Mühlenstraße, Sportweg zur Hindenburgstraße. An der Brunnenstraße stehen noch drei bis vier alte Häuser. Bis zum früheren "Deutschen Haus" stehen große Wohnblöcke. Diese findet man auch an der Mühlenstraße. An der Ecke Sportweg/Hindenburgstraße ist noch die "Mühle Anker", später Hein. Auch die ev. Schule auf der anderen Sraßenseite ist noch da, sie hat einen Anbau erhalten. Stadtwärts ist dann alles wieder neu bebaut worden. Man kann nun von der Schule bis zum Marktplatz sehen. Diesen Weg gingen wir dann, über die St.-Florian-Straße zur Speicherstraße. Es fehlen auch hier viele Häuser, dadurch ist die Straße breiter geworden.

Wieder an der Kirche angekommen, bogen wir rechts in die Gartenstraße ein. An der Ecke stand einmal das Wohnhaus des Propst Wedig. Dahinter aber steht noch die Propstei. Etwas weiter die "Tischlerwerkstatt Heppner". Teilweise findet man die Turnhalle und der Anbau der Mädchenschule; diese ist nun das Gymnasium.

An der Hermannstraße angekommen, stellten wir fest, daß die alten Wohnhäuser noch vorhanden sind. Das Elektrizitätswerk ist erneuert und vergrößert. Das alte Krankenhaus ist nun ein Altersheim. Auf dem weiteren Gelände, wo das Waisenhaus und der Kindergarten waren, ist nun das neue Krankenhaus, das wir schon vom Dimmerweg aus sahen. Die Molkerei erfüllt auch noch ihren Zweck.

Links ab ging es zum Luisenweg. Die alten Häuser sind alle gut erhalten; die ganze Straße ist sehr sauber. Am Ende des Weges, es war dann nur noch ein Feldweg, sahen wir auf der rechten Seite große Gewächshäuser, dahinter einige Neubauten. Auf der anderen Wegseite ist das Sägewerk "Augstien" enorm vergrößert worden und erstreckt sich nun bis zum Luisenweg und "Bauer Poetsch". Auch soll hier eine Möbelfabrik sein.

Am Bauernhof "Poetsch" vorbei führte uns der Weg zur Rößeler Chaussee. Durch einige Neubauten und eine neue Straße hat sich hier einiges verändert. Dann gingen wir in die Horst-Wessel-Straße und stellten fest, daß auch hier einige Häuser fehlten. Weiter ging es zur Siedlung am Wasserturm. Wir staunten, denn auch hier waren Häuser und Gärten sauber und ordentlich.

Die alten Häuser am Schützenweg sind noch alle da, auch der Schützenhof mit seinen Anlagen. Die Schrebergartenanlage besteht nur noch aus Nutzgärten. Einige Parzellen waren unbebaut, und die schönen Lauben fehlten. Als wir zur Bahnstrecke kamen: warten, wie früher.

Ein altvertrautes Bild zeigt die Rößeler Straße und v.-Schrötter-Straße. An der v.-Perbandt-Straße fehlt die Stadtverwaltung und das Kloster. Es steht ein neues, größeres Gebäude auf diesen beiden Grundstücken. Wer dort residiert, ist uns nicht bekannt. Die Stadtverwaltung soll nun wieder in dem alten Gebäude an der Spiringstraße sein. Die Landrats-Villa dient der Miliz, und der schöne Garten ist zu einem Aufmarschplatz umgestaltet. Das Kreishaus steht noch in seiner vollen Größe da.

Und wieder führte uns der Weg zum Marktplatz und weiter zur Erich-Koch-Straße. Auch hier war viel zerstört und wurde wieder aufgebaut. Die ev. Kirche ist baufällig, soll aber wieder aufgebaut werden. In der Brauerei Daum wird noch immer Bier gebraut und in der weiteren Umgebung getrunken. Vor der Dimmerbrücke ist dann noch die Likörfabrik. Wir konnten nicht feststellen, was nun hier betrieben wird.

Am letzten Tag in unserer Heimatstadt marschierten wir zur Krackssee-Siedlung. Auch hier fanden wir Häuser und Gärten in einem guten Zustand; hier wurde viel gebaut.Schließlich kamen wir zu der Stelle, wo einst die Badeanstalt stand. Man kann alles noch gut erkennen. Eine friedliche Stille herrschte hier, und die Vögel zwitscherten, als wenn sie uns begrüßen wollten. Von hier führt ein schöner Weg am See entlang, und so kamen wir zu dem Damm, der zur Insel führt. Bevor wir aber zum Damm kamen, lagerte eine Gruppe Kinder um ein Lagerfeuer. An langen Stöcken rösteten sie Wurst. Es war eine schöne Idylle, und wir fotografierten diese Kindergruppe. Es war eine Schulklasse mit der Lehrerin und zwei Müttern. Wir hatten Glück, denn eine Mutter sprach deutsch und war deutscher Abstammung. So konnten wir uns gut verständigen und wurden zum Wurstessen eingeladen. Als wir uns verabschiedeten, sangen sie uns ein polnisches Abschiedslied und winkten uns lange zu.

Auf der Insel angekommen, fanden wir eine Bank. Lange verweilten wir hier und schauten stumm über den See zur Stadt. Zu unserer Zeit führte eine Holzbrücke zum Festland. Sie ist weg, dafür ist auch hier ein Damm. Der früher so schöne Feldweg durch die "Reimannschen Felder" ist nun eine breite Straße mit vielen Neubauten. Diese Straße kommt bei der Likörfabrik heraus. Dann gingen wir zum Dimmerweg. Mit seinem schönen Baumbestand ist er eine schöne Allee geworden. Eine große Anlage mit Kinderspielplätzen ist auf den "Daumschen Wiesen" entstanden. Schön angelegt, dabei naturbelassen. Und dann der Sportplatz. Er ist größer, ja sogar schöner geworden. Die Turnhalle wurde auf das hintere Gelände verlegt. Sogar Tribünen, wenn auch unbedacht, sind da. Tennisplätze sind dazugekommen. Es hat uns gefallen.

Der letzte Weg führte uns noch zur Oberschule, es soll jetzt eine Berufsschule sein. Am Budenerweg, gegenüber der Oberschule, ist ein neuer Häuserkomplex mit neuen Straßen. Die Richtstraße ist unverändert. Wir wanderten den Feldweg entlang, vorbei am "Steinmetz Nagel" zur Rothfließer Chaussee und zum Bahnhof. Hier nahmen wir Abschied von unserer Stadt und waren traurig, daß wir nicht mehr Zeit hatten. Aber wir versprachen, bald wiederzukommen.

Die Reise in unsere Heimat, welche wir nach 42 Jahren antraten, war für uns nun zu Ende. Wir haben mehr Positives als Negatives erlebt und gesehen und sind glücklich, dorthin fahren zu können. Und so Gott es will, wird es in zwei Jahren sein. Vielen Anregungen folgend, wird für 1989 eine "Bischofsburger Gemeinschaftsfahrt" vorbereitet.

Ich grüße alle Bischofsburger und hoffe, daß ich ihnen mit meinem Bericht aus der Heimat eine kleine Freude machen konnte.

Elisabeth Krogull

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