Mühlenbesitzer Paul Kroschewski 1878-1962
Das Elternhaus: Paul Kroschewski wurde als Sohn des Kaufmanns August Kroschewski am 28.08.1878 in Bischofsburg geboren. Sein Vater bewirtschaftete das landwirtschaftliche Anwesen "Am Abbau" südlich von Bischofsburg (Lage siehe Ausschnitt Karte im Anhang). Er betrieb dort anfänglich auch eine Windmühle. Die Großeltern väterlicherseits stammen aus dem Ort Elsau bei Seeburg, nordwestlich von Bischofsburg. Sohn Paul besuchte nach der Volksschule in Bischofsburg das Gymnasium in Rößel (Königliches Gymnasium zu Rößel). Wie sein Vater August, erhielt Sohn Paul eine Ausbildung zum Kaufmann in der Hansestadt Elbing.
Die Geschwister: Sohn Paul hatte noch zwei Brüder (Anton und Konrad) und drei Schwestern (Angelika, Martha und Franziska). Sein Bruder Konrad wanderte 1921 in die USA (Texas) aus. Seine Schwester Martha heiratete Albert Angrick, Besitzer einer Brauerei in Bischofsburg mit Schankwirtschaft. Die andere Schwester Angelika heiratete Andreas Fox und zog zu ihm nach Groß Lemkendorf, wo sie das "Gasthaus Andreas Fox" bewirtschafteten und einen Kaufhaus-Laden unterhielten.
Beginn der Industrialisierung: Durch die bessere Grundversorgung der Einwohner stieg die Bevölkerung sprunghaft an. Die Industrie entwickelte sich so gut, dass viele Firmengründungen die Folge waren sowie ein großer Bedarf an Wohnungen durch den Zuzug von Arbeitern entstand. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes begann auch in Ostpreußen der wirtschaftliche Aufschwung. Bischofsburg zählte bis dahin zu den kleineren Städten und hatte 1890 ca. 4.250 Einwohner. Zum Ende des Jahrhunderts erhielt Bischofsburg eine Garnison und einen direkten Anschluss an das Eisenbahnnetz. Bischofsburg profitierte von dieser Entwicklung. Die Zahl der Einwohner stieg stätig an (1939: ca. 8.500 Einwohner.
Der Familienbetrieb: Paul Kroschewski unterstützte seinen Vater in der weiteren betrieblichen Entwicklung und Erschließung neuer Geschäftsfelder. Um dem gestiegenen Bedarf an Mehl und Backwaren abdecken zu können, wurde der Mühlenbetrieb durch den Neubau einer leistungsfähigeren Mühle erweitert.
Der Betrieb entwickelte sich durch das rasante Wachstum zu einer beachtlichen Größe. Zu den erweiterten Tätigkeiten zählte der überregionale Ankauf von Getreide und der Verkauf von Mahlgut, überschüssige Ware wurde am neuen Bischofsburger Bahnhof wagonweise verladen und in Richtung Berlin transportiert.
Heirat 1908: Anlässlich seiner Heirat mit Pauline-Margarethe Schlicht am 09. Mai 1908 übernahm Sohn Paul von seinem Vater August das landwirtschaftliche Anwesen mit dem Mühlen- und Bäckereibetrieb südlich von Bischofsburg an der Chaussee in Richtung Ortelsburg/Sensburg liegend. Seine um drei Jahre jüngere Frau entstammte väterlicher- und mütterlicherseits ebenfalls aus den Bischofsburger Kaufmannsfamilien Schlicht und Goerigk.
Dokumentation des Familienbetriebes: Das Anwesen "Am Abbau" zu jener Zeit wurde in einer graphischen Zeichnung perspektivisch durch die Eckert & Pflug Kunstanstalt Leipzig ca. 1912 als Gesamtansicht festgehalten (siehe Kunstdruck).
Der Druck zeigt im Einzelnen die Scheune mit Stallungen, das Speichergebäude und das Wohnhaus. Desweiteren sieht man die betrieblichen Nebengebäude wie das Lager, das Backhaus und den viergeschossigen Neubau der Mühle, in welchem sich die Getreidesilos und zwei Schrotgänge befanden, die wegen ihrer Größe über mehrere Stockwerke untergebracht waren.
Für den Antrieb sorgte eine große Dampfmaschine, die im separaten Kesselhaus untergebracht war und die ihre Antriebskraft über Transmissionsgestänge und -antriebe auf die Mahlstühle übertrug. Gut zu erkennen sind die vier Mühlsteine, welche an der Außenwand der Mühle angelehnt sind. Als Heizmaterial diente Stein-, Braunkohle oder Torf.
Die Mahlleistung betrug täglich 20 t Getreide pro Schrotgang. Die Bäckerei besaß große Backöfen mit ausziehbaren Backblechen in zwei Ebenen, auf denen rund 100 Kommissbrote zeitgleich gebacken werden konnten. Die Mühle arbeitete im Schichtbetrieb.
Das Leben der deutschen Bevölkerung in der "guten alten Zeit" war besser als je zuvor. Der wirtschaftliche Aufschwung war eng verflochten mit dem industriellen Fortschritt. Die Wilhelminische Zeit war geprägt von den Errungenschaften der Politik durch Bismarck und der Fortsetzung, der als modern geltenden Sozialpolitik.
Die auf dem Kunstdruck eingefügten zwei Wohn-und Geschäftshauser (linke u. rechte Bildseite) standen in der Bischofsburger Innenstadt "Am Markt". Der graphische Druck gibt beim näheren Betrachten zusätzliche Details wieder (siehe nachfolgende Druckausschnitte).
Das Wohn- und Geschäftshaus stand am Marktplatz/Ecke Erich-Koch-Straße in Richtung evangelische Kirche und Brauerei. In Verlängerung führte die Straße nach Allenstein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte sein Schwager August Goerigk seinen Kaufmannsladen.
Zu jener Zeit prägten Pferdekutschen und Pferdewagen für den leichten und schweren Transport von Waren das Straßenbild.
Der Geschäftshäuserblock mitten auf dem Markt schloss im Süden mit der "Niederlage der Dampf-Mahl-Mühle Paul Kroschewski" ab. Für den Antrieb der Walzen in den zwei Walzstühlen sorgte ein 60 PS starker Rohöl-Motor. Neben Brot und Kuchen aus der Bäckerei, gab es auch Mehl, Grütze und Kleie zu kaufen. Die Ausfuhr der Backwaren erfolgte über leichte Brotwagen mit Einspänner.
Die guten Geschäftsergebnisse führten zu einem gewissen Wohlstand in der Familie.
Die Entwicklung der Automobile zum alltagstauglichen Vehikel faszinierte die Menschen auch in Ostpreußen. Paul Kroschewski konnte dem Zauber der Technik nicht widerstehen und schaffte sich solch einen Tourenwagen an. Es soll der Erste dieser Art in Bischofsburg gewesen sein. Diese Zeit bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges zählte zu erfolgreichsten Jahren seines bisherigen Lebens.
Abbildung: So ähnlich könnte das große Automobil ausgesehen haben. Die meisten damals produzierten Fahrzeuge in Deutschland basierten auf der Grundkonstruktion des Mercedes-Siomplex (1906)
Nachkommen 1910-1917: Aus der gemeinsamen Ehe entstammen vier Söhne, die auf die Namen Paul, Werner, Ernst und Robert getauft wurden. Die Geburtsdaten waren:
1. Sohn Paul 13.09.1910
2. Sohn Werner 01.04.1912
3. Sohn Ernst 03.04.1914
4. Sohn Robert 09.05.1917
Links:
Das Photo im Original mit Passpartout zeigt
Margarethe und Paul mit dem erstgeborenen Sohn Paul
vor dem Eingangsbereich mit Veranda des Wohnhauses "Am Abbau".
1. Weltkrieg (1914-1918):
Mit der Mobilmachung zogen alle wehrfähigen Männer in den Krieg; - so auch Paul Kroschewski. Die Entscheidungsspielräume der Mühlenbesitzer waren durch das Kriegsrecht eingeschränkt. Als erste Zwangsmaßnahmen wurden Mitte Oktober 1914 ein Verbot der Verfütterung von Brotgetreide und Mehl erlassen. Eine weitere Verfügung sah vor, Weizenbrot durch den Zusatz von Roggenmehl und Roggenbrot mit Kartoffelmehl zu "strecken". Der Festlegung von Höchstpreisen für Brot und Getreide folgte im Dezember 1914 die Gründung der Kriegs-Getreide-Gesellschaft.
Sein Vater August Kroschewski übernahm noch im hohen Alter von 76 Jahren die Leitung einer Reichsgetreidestelle für den Kreis Bischofsburg, die die Flächen im Einzugsgebiet der Städte Rößel, Seeburg und Bischofsstein umfasste. Seine Tätigkeit bestand darin, das überschüssige Getreide aufzukaufen und nach Anweisung der Reichsgetreidestelle Berlin zu vermarkten.
Die Mühle lief werktäglich in Schichten rund um die Uhr. Sie wurde nur sonntags oder zu Revisionszwecken abgestellt. Durch Kriegseinsätze waren Arbeitskräfte rar und August Kroschewski musste des Öfteren zusätzlich die Nachtschicht übernehmen.
Betriebsunfall mit Todesfolge: Im September 1916 ereignete sich ein schwerer Betriebsunfall. August Kroschewski stürzte nachts aus dem 3. Stock in den Aufzugsschacht und erlitt dabei einen doppelten Schädelbruch. Nach 3 Tagen starb er am 28. September 1916. Sein Sohn Paul Kroschewski wurde aufgrund dessen vorzeitig aus dem Kriegsdienst zurückgestellt, um den Betrieb der Mühle zu gewährleisten.
Nachkriegsjahre, Inflationszeit 1918-23: Bis zum Herbst 1918 verlor die Mark fast die Hälfte ihres Werts von 1914. Als das Deutsche Reich nach dem militärischen Zusammenbruch gegnerische Kriegslasten erstatten musste, nahm die Inflation dramatische Ausmaße an. Durch die Kriegseinwirkungen und Gebietsverluste hatte Ostpreußen keine direkte Landverbindung mehr zum übrigen deutschen Staatsgebiet. Für die ostpreußische Wirtschaft führte dies wegen der Marktferne zu ungünstigen Rahmenbedingungen. Handelsbeziehungen zu Großabnehmern brachen ab, sodass nur noch die Gutsbesitzer und viele Klein-Bauern ihr Getreide in der Mühle mahlen ließen.
Paul Kroschewski hatte in jener Zeit notleidenden Geschäftspartnern aus Gefälligkeit Wechsel ausgestellt. Nun kam er durch die wertlos werdenden Schuldscheine selbst in finanzielle Bedrängnis. Durch die Vernichtung der kleineren Vermögen kam es insgesamt zur Verarmung der kleineren bürgerlichen Schichten und des Mittelstandes. Die Mühlen-Niederlassung in der Stadt musste wegen Unrentabilität aufgegeben werden.
Ungeachtet der schmerzlichen Auswirkungen des Krieges mit ihren negativen Begleiterscheinungen verlief das Leben der Familie Kroschewski in halbwegs normalen Verhältnissen weiter.
Großbrand in der Mühle 1925: Die Not und Sparmaßnahmen der Nachkriegsjahre hatten zur Folge, dass notwendige Inspektionen in der Mühle ausblieben und des Öfteren Maschinenteile mangels Wartung heiß liefen. An einem Sommerabend des Jahres 1925 kam es zu einem Großbrand in der Mühle. Teile einer Schälmaschine hatten sich gelöst und durch Funkenflug die Schälkleie in Brand gesetzt.
Das Feuer griff über die Getreidereinigungsanlage auf den Kornspeicher über. Die anrückende Feuerwehr konnte den Brand zwar eindämmen, jedoch nicht gänzlich löschen. Durch verbleibende Glutnester konnte das Feuer frühmorgens erneut auflodern, über die Verbindungsschächte auf die übrigen Stockwerke übergreifen und weitere Anlagenteile zerstören.
Der Wiederaufbau dauerte ein ganzes Jahr, um die Mühle in Teilbereichen und der Hälfte der ursprünglichen Leistung wieder in Gang zu bringen. Die Schadenssumme betrug 45.000 Reichsmark (ca. 320. 000 Euro) und musste fremdfinanziert werden. Durch die lange Ausfallzeit waren Teile von dem Kundenstamm weggebrochen. Belastend wirkten sich die extrem hohen Zinslasten von ca. 30 % für das knappe Geld aus.
Nahender Konkurs 1927: Unternehmerische Entscheidungen in der Zeit bargen große Risiken. Die Zinslasten konnten aus dem laufenden Etat nicht mehr getilgt werden, was letztendlich zum Konkurs des Wirtschaftbetriebes "Am Abbau" in 1927 führte. Die zwei Wohn- und Geschäftshäuser in Bischofsburg flossen in die Konkursmasse mit ein.
Paul Kroschewski belastete die Entwicklung sehr und er stürzte in die tiefste Krise seines bisher erfolgreichen Lebens. Er war Verlierer als Folge der Inflation und des Großbrandes.
1928 Neubeginn: Paul Kroschewski gelang es mit Unterstützung seiner Frau Margarethe den Familienbetrieb in Teilbereichen wieder neu zu ordnern.
Photo links: Das Haus im Geschäftshäuserblock am Marktplatz in Bischofsburg, rechte Hausseite die Bäckerei Paul Kroschewski,(Quelle: www.bischofsburg.de)
Die Landwirtschaft erzielte gute Erträge und es war ihnen gelungen, das ehemalige Mühlengebäude am Markt von Dr. Pollakowski wieder zurück zu kaufen und dort eine kleine Bäckerei einzurichten.
Neuer Vertriebszweig Ölhandlung: Margarethe Kroschewski über-nahm von der "British Petrol" mit Sitz in Königsberg in Konzession den Vertrieb von Schweröl, Petroleum und Benzin. Das neue Tanklager neben der Mühle fasste ein Volumen von 14.000 Liter.
Photo rechts: Undatierte Aufnahme einer Familienfeier im Hause Kroschewski überwiegend mit Gästen aus der Verwandtschaft. Vermutlich handelte es sich um seinen 50. Geburtstag im Jahre 1928. Im Vordergrund Paul Kroschewski mit Ehefrau Margarethe und Sohn Robert (ganz hinten Sohn Werner). Hinter Paul stehen wahrscheinlich seine drei Schwestern Martha, Angelika und Franziska. Einer von den beiden Herren dürfte Albert Angrick sein, der Ehemann von Martha.
Mit dem Ölhandel ließ sich eine höhere Rendite erzielen als mit den Erlösen aus der Landwirtschaft. Öle und Petroleum wurden wagonweise bezogen und in kleineren Eisenfässern von 100 bis zu 600 Litern für den weiteren Verkauf umgefüllt. Großabnehmer wurden mit Fassgrößen ab 1000 Liter beliefert.
Mithilfe der beiden älteren Söhne, die die Vertriebsaktivitäten intensivierten, ließen sich die Umsätze und Erlöse steigern. Insgesamt stellte sich wieder ein wirtschaftlicher Aufschwung ein, der sich im industriellen Aufbau mit modernen Maschinen wiederspiegelte. Man hatte wieder Freunde am gesellschaftlichen Leben.
Ab 1929 erfolgte jedoch wieder ein Abschwung der Konjunktur in Deutschland als Folge der hohen Steuer- und Sozialabgaben. Es folgte ein Preisverfall für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die Erträge halbierten sich binnen 3 Jahren.
Mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise kam es wieder zu vielen Firmenzusammenbrüchen in Deutschland, was sich auch an den Verkaufszahlen im Ölvertrieb bemerkbar machte. Durch die Abhängigkeit vom Auslandskapital und der Last der Reparationszahlungen wurde Deutschland in die Krise mit hineingerissen. Dies hatte unter anderem auch später zum Zerfall der Weimarer Republik geführt
Wohnhaus in Flammen (26.01.1933): Die "Ermländische Zeitung" berichtete an diesem Tag über den Feuerwehreinsatz zur Abbaubesitzung des Mühlenbesitzers Paul Kroschewski. Durch den starken Frost stand nicht ausreichend Löschwasser zur Verfügung. Das alte Wohnhaus brannte komplett nieder und konnte nicht wieder aufgebaut werden. Als Brandursache wurde ein überhitzter Ofen genannt.
Das neue Wohnhaus entstand an anderer Stelle näher zur Hauptstraße hin. Vom Balkon über der Veranda hatte man einen weiträumigen Blick bis zum Krack-See, in dem sich die untergehende Sonne abends spiegelte.
1933 wurde Hitler nach den noch demokratischen Regeln der Republik zum Reichskanzler ernannt und verfolgte von dann ausschließlich die Ziele des Nationalsozialismus mit der Abschaffung der Demokratie.
Ab 1936 verkündete Hitler die Verlängerung der einjährigen Militär-zeit auf zwei Jahre. Die vier Söhne befanden sich in der Zeit im wehrpflichtigen Alter. Sohn Ernst wurde nach seiner Ausbildung in Königsberg 1937 zum Militär (Pionier Bataillon 41 Königsberg) eingezogen.
Im Februar 1938 verstarb unerwartet seine Ehefrau Margarethe im Alter von nur 57 Jahren. Sie hatte sich von den Folgen einer Operation nicht erholen können.
2. Weltkrieg (1939-1945): Die älteren Söhne Paul und Werner waren wegen des frühen Todes der Mutter, unter anderem aber auch wegen der Tätigkeiten in der Landwirtschaft und der Ölhandlung, vom Militärdienst bis August 1940 abwechselnd freigestellt worden.
Sohn Werner hatte zuvor 1938 seine künftige Frau Anna (geb. Parschau aus Sternsee) kennen gelernt und sie im April 1939 geheiratet.
In Ostpreußen nahmen die Kriegsereignisse keine zentrale Rolle im Alltagsleben ein. Der Krieg spielte sich weit draußen im Osten und Westen ab und man glaubte an den Siegeswillen der deutschen Truppen. Langfristig konnte sich aber keiner den Verpflichtungen des Krieges entziehen.
Sohn Ernst war bis 1940 an der Westfront eingesetzt und anschließend bis auf Weiteres vom Militärdienst freigestellt (UK-Stellung). Aufgrund seiner Ausbildung im Baufach, wurde er als Bauleiter bei der großen Baufirma A. Porr in Österreich tätig. Dort lernte er seine spätere Frau Steffie (geb. Frickh aus Vöcklabruck) kennen, die er im Mai 1941 heiratete.
Sohn Paul konnte wegen der Ölhandlung eine Freistellung bis zum April 1942 erreichen, danach erhielt er eine verkürzte Ausbildung zum Unteroffizier in Königsberg. Er war bei einer schweren Infanterie-Kompanie eingesetzt, die dann nach Süd-Russland zu Felde zog. Das letzte Lebenszeichen erhielt sein Vater Weihnachten 1942 aus der östlichen Ukraine, dem südlichen Don-Bogen (Raum Stalingrad / Asowsches Meer).
Im August 1940 erhielt auch der jüngste Sohn Robert den Stellungsbefehl zum Einsatz in Richtung Westen. Sohn Werner befand sich seit Januar 1942 an der Front in Nordrußland.
In dieser beschwerlichen Zeit verwaltete Vater Paul Kroschewski mit Hilfe seiner Schwiegertochter Anna das Anwesen am Abbau. Zwei Mädchen aus der Landverschickung (Wini und Maria) und drei Landarbeiter, der Franzose Julien aus Lille, ein Pole und ein Deutscher (alle im Status Zwangsarbeiter) unterstützten sie bei den anfallenden Arbeiten im Betrieb und der Landwirtschaft. Man pflegte einen guten Umgang miteinander, aß am selben Tisch und schlief unter dem selben Dach.
Trotz den Turbolenzen des Krieges, stellte sich im Monat Mai Nachwuchs in der Familie ein. Schwiegertochter Anna wurde von einem Mädchen entbunden. Für Opa Paul Kroschewski war es das erste Enkelkind und dem jungen Vater Werner verhalf es zum Heimaturlaub.
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Im Januar 1943 wurde Sohn Werner durch Granatsplitter schwer verwundet. Nach neunmonatigem Lazarettaufenthalt, Genesungsurlaub und Schreibstubendienst, wurde er im November 1943 wieder an die Front versetzt. Zuvor, am 06.09.1943 wurde die zweite Tochter Margarete geboren. Nach nur einer Woche Fronteinsatz erlitt er erneut schwere Verwundungen durch Explosivgeschosse. Die Genesungsphase dauerte über 7 Monate. Danach, nach weiteren vier Wochen Dienst in der Schreibstube in Allenstein, erneuter Stellungsbefehl aufgrund der sich veränderten Kriegssituation zur Westfront, um die alliierten Streitkräfte am Vormarsch zu hindern.
Im November 1944 war Sohn Werner wohlweislich letztmalig auf Heimaturlaub zu Hause. Das Kriegsende voraussehend traf man Vorkehrungen um im Ernstfall fliehen zu können.
Flucht aus Bischofsburg (Januar 1945): Am 20. Januar 1945 nahm die russische Luftwaffe Bischofsburg unter Beschuss. Man verspürte große Angst vor dem Ungewissen. Paul Kroschewski traf dennoch den Entschluss auf seinem Grund und Boden zu bleiben und den Sturm über sich ergehen zu lassen, währenddessen er seine Schwiegertochter Anna zur Flucht überredete. Am Folgetag trat sie mit ihren beiden Töchtern die Flucht an, die sie nach vier Wochen über Dresden nach Chemnitz zu ihrer Jugendfreundin Frau Meibert in die Yorckstr. 51 gelangen ließ. Die Flucht wurde von Hunger, Kälte und Elend begleitet und letztendlich im Februar 1945 von den Luftangriffen der Alliierten überschattet. Als hochschwangere Mutter wurde sie von panikartige Angstzuständen begleitet, als sie immer wieder überstürzt Schutz in den Luftschutzbunkern aufsuchten musste.
Kriegsende und Gefangenschaft (Mai 1945): Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 08.05.1945 geriet Sohn Werner mit dem Rest der versprengten Truppen seiner Versorgungseinheit im Raum Norden in englische Gefangenschaft.
Paul Kroschewski hatte das Kriegsende in Ostpreußen überlebt, jedoch wurde er wider Erwarten von seinem Anwesen durch die neuen Machthaber Ende Mai /Anfang Juni vertrieben. Er machte sich auf dem Landweg nach Sachsen, um seine engste Vertraute Schwiegertochter Anna und die Enkelkinder aufzufinden. An der neuen Grenze von Oder und Neiße erhielt Paul Kroschewski im Pass den Eintrag einer Ausweisung vermerkt.
Die deutschen Ostgebiete östlich der Oder-Neiße-Linie wurden im Rahmen des Potsdamer Abkommens ab August 1945 offiziell unter polnische Verwaltung gestellt. Die drei Westmächte und die Sowjetunion teilten das übrige Deutschland in Besatzungszonen auf.
Die Gefangennahme von Sohn Werner durch die britischen Truppen war nur von kurzer Dauer. Bereits am 6. Juni 1945 hatte er den Entlassungsschein erhalten und machte sich auf den knapp 800 km langen Weg zu seiner Familie nach Pleißa bei Chemnitz.
Ende Juni 1945 traf Paul Kroschewski mit seinem Sohn Werner, seiner Schwiegertochter Anna und den drei Enkelkindern wieder zusammen. Enkel Klaus wurde am 22. April in Limbach in Sachsen geboren. Sohn Ernst in Österreich sah keine Möglichkeit, Vater und Bruder mit Familie aufzunehmen, da er das Problem der Ausweisung aus Österreich befürchtete. Sohn Robert befand sich in französischer Gefangenschaft in Calvados.
Schwierige Zeit in Sachsen/Sowjetischen Zone (1945-1946): Mit Gelegenheitsarbeiten versuchte man sich über Wasser zu halten. In Pleißa bei Limbach und Brockwitz bei Meißen fanden sie übergangsweise eine neue Unterkunft. Die neue politische Ausrichtung nach sowjetischen Vorgaben lief den Bestrebungen von Vater Paul und Sohn Werner entgegen, denen das eigenständige Handeln und Denken zu Eigen war. Im Verlauf von einem Jahr, sahen sie keine Perspektive, sich in der Fremde und dem in Trümmern, wirtschaftlich darniederliegenden Land empor zu arbeiten. Vater Paul und Sohn Werner sehnten sich nach ihren Anwesen in Bischofsburg und der gewohnten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zurück, die sie zu Hause in Ostpreußen ausüben durften. Zumal auch Schwiegertochter Anna große Sehnsucht nach ihren Eltern hatte, die dort zu Hause in Sternsee geblieben waren und um deren Wohlbefinden sie sich kümmern wollte.
Im Spätsommer 1946 trafen sie den Entschluss in ihre alte Heimat Ostpreußen zurück zu fahren. Die politische Konstellation, ob sowjetische oder polnische Verwaltung war ihnen Angesichts der herrschenden Not von zweitrangiger Bedeutung. Sie erhofften dort eine bessere Ausgangsposition für einen Neubeginn zu finden. Über kurz oder lang hofften sie auf eine Art Minderheitenschutz der Deutschen in Ostpreußen, die ihnen der neue polnische Staat gewähren würde.
Vater Paul und Sohn Werner erhielten vorerst keine Reisedokumente, die sie berechtigt hätten nach Ostpreußen zurück zu reisen. Vater Paul hatte den "Vermerk der Ausweisung" im Ausweis. Sohn Werner war als Deutscher gleichsam eine unerwünschte Person. Nur mit Hilfe der Schwiegertochter, deren Eltern in Ostpreußen verharrten, konnte eine Wiedereinreise durch eine den Behörden zuvor vorgelegte Einladung erfolgen.
Rückkehr nach Ostpreußen/Polen (20.02.1947): Voller Hoffnung und Zuversicht traten Paul Kroschewski, Sohn Werner mit Ehefrau Anna und den drei Kindern die Rückreise von Berlin aus an. Sie waren für ein paar Tage bei Dr. Andreas Fox, dem Sohn seiner Schwester Angelika in Berlin-Bernau untergebracht. Am 20.02.1947 abends um 20:30 Uhr fuhr der Zug in Richtung Warschau ab. Sie fuhren nach zwei Jahren zurück in ihre Heimat, die nun unter polnischer Verwaltung stand, in der sie ein besseres Leben als in Sachsen zu führen gedachten.
Die Reise führte jedoch nicht direkt nach Bischofsburg zurück, sondern auf den Hof von Annas Eltern Parschau nach Sternsee, die sich gegenüber den Behörden bereit erklärten, ihre Tochter nebst Familie aufzunehmen. Sternsee hieß nun Stanislewo.
Die Hoffnung auf ihr Anwesen in Bischofsburg (jetzt Biskupiec) zu gelangen gestaltete sich schwieriger als erwartet. Zwischenzeitlich waren dort Polen eingezogen, die wiederum zum Teil aus den östlichen Landesteilen von den Russen vertrieben worden waren. Paul Kroschewski musste nun mit der Familie seines Sohnes Werner bei dessen Schwiegereltern übergangsweise um Quartier bitten. Sohn Werner fand Arbeit bei einem Sägewerk und unterstützte seinen Schwiegervater in der Landwirtschaft.
Die Familie wuchs um eine weitere Person, Enkel Paul wurde am 1.02.1948 geboren.
Bei den polnischen Behörden versuchten sie mit allen Mitteln eine Regelung zu finden, das ehemalige Anwesen in Bischofsburg wieder zurück zu erhalten. Jedoch stieß man nicht überall auf Zustimmung und die Behörden ließen sich auch keine Eile aufzwingen.
Handlungsunfähig mussten Paul und Sohn Werner zusehen, wie ihr Anwesen durch die Kriegsschäden in Mitleidenschaft gezogen wurde und zunehmend verfiel. Die damaligen Bewohner hatten weder das Interesse noch die finanziellen Mittel für Abhilfe zu sorgen.
Die Realität war eine andere, als die sie sich vorgestellt hatten. Es kamen Zweifel auf, ob der Entschluss zur Rückkehr der richtige gewesen sei. Sie gehörten nun zu den Fremden in der eigenen Heimat. Sohn Werner sollte die polnische Staatsbürgerschaft annehmen und zum Militär gezogen werden. Es gelang ihm aber dieses Vorhaben abzuwehren, denn er beherrschte die polnische Sprache nicht und wollte diese auch nicht erlernen.
Durch die Kriegswirren wurde Bischofsburg im Kernbereich fast komplett zerstört. Die Wohn- und Nutzgebäude in der Innenstadt Am Markt lagen in Schutt und Asche. Auch das Anwesen Am Abbau war in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Gebäude der Bäckerei war gänzlich zerstört und das Wohnhaus und die Nebengebäude durch Beschuss stark beschädigt.
Sohn Werner entwickelte Eigeninitiative und begann mit Reparaturarbeiten auf dem ehemaligen Anwesen Am Abbau. Er tat dies auf eigenes Risiko. Bei den polnischen Behörden blieben diese Aktivitäten nicht unbemerkt und letztendlich stimmten sie einer Übereignung des Wohngebäudes und einem Teil der Nebengebäude zu. Die Ländereien sollten jedoch in eine landwirtschaftliche Genossenschaft einfließen. Vater Paul und Sohn Werner widersetzten sich dieser Regelung. Im Umkehrschluss erhielten sie nur 1/3 der landwirtschaftlichen Nutzfläche mit der Begründung wieder, nur diese Teilfläche aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bewirtschaften zu können.
Gemäß dem kommunistischen Grundgedanken, wurde Privatbesitz höher besteuert und Privatpersonen durften keine zusätzlichen Kräfte als Feldarbeiter beschäftigen.
Wiedererlangung des Anwesens (14.04.1951): Nach einer langen Zeit des Wartens von über vier Jahren seit der Rückreise, erhalten Vater und Sohn zum 14. April 1951 die staatliche Genehmigung, ihr früheres Anwesen in Bischofsburg "Am Abbau" wieder in Besitz zu nehmen. Die bisherigen Einwohner erhielten das in der Nähe liegende "Insthaus" als künftige Bleibe zugesprochen.
Viele von den "alten" deutschen Nachbarn, wie die Familien Brodowski, Bögel, Graw, Thimm oder Kuck unterstützten sie in ihren Vorhaben nach besten Kräften. Dennoch war das Arbeitsaufkommen immens groß. Sohn Werner gab daher die Stelle beim Sägewerk zum Frühjahr des folgenden Jahres 1952 auf, um sich gänzlich der Landwirtschaft zu widmen.
Paul Kroschewski befand sich nun mit seinen 72 Jahren in einem Alter, in dem er keine großen Tätigkeiten mehr ausüben konnte. Er war sichtlich froh, seinen Lebensabend in seiner gewohnten Umgebung erleben zu dürfen.
Im Verlauf des Jahres 1953 erhielten sie vom polnischen Staat eine kleine Entschädigung in Höhe von 6000 Zloty. Es sollte eine Beihilfe für entwendete Gegenstände während ihrer Abwesenheit bzw. Vertreibung sein. Mit diesen Betrag konnte das Wohnhaus repariert werden. Der neue Dielenboden und die Decken ließen das Haus fast wieder im alten Glanz erscheinen.
1954 wurden das Wohnhaus und die übrigen Wirtschaftsgebäude wieder über eine Freileitung von dem Elektrizitätswerk mit Kraftstrom versorgt. Neben Licht konnte nun auch ein Schrotgang mit zwei Mühlsteinen im Stallgebäude in Betrieb genommen werden.
Viele benachbarte Bauern ließen das Getreide zum Verfüttern für das Vieh gegen ein kleines Entgelt schroten. Dies führte oftmals zu Problemen mit den Behörden, für die diese eigenwirtschaftliche Tätigkeit ein Dorn im Auge war.
Paul Kroschewski in der Rolle des Opas: Er war aufgrund seiner Lebenserfahrung der ruhende Pol der Familie. Insbesondere war er die Anlaufstelle für die inzwischen siebenköpfige Schar von Enkelkindern, zwei Mädchen und fünf Jungen, die um einen Platz auf seinem Schoß buhlten. Etwas zum Rauchen, ein wenig selbstgemachten Kirschlikör und ein gutes Buch, dies waren seine bescheidenen Wünsche, die ihn glücklich und zufrieden erschienen ließen. Eine seiner Beschäftigungen im Haushalt war das Holzhacken. Des Öfteren legte er dabei eine Pause ein. Er setzte sich dann auf den Hauklotz nieder und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn und Glatze. Seine Beine bereiteten ihm mit zunehmendem Alter Probleme. Dr. Pollakowski in der Stadt war der behandelnde Hausarzt.
In den Jahren 1956/57 wurden die restlichen landwirtschaftlichen Flächen übereignet.
Mit viel organisatorischem Talent und der Unterstützung durch die Verwandten im Westen, in dem sich der wirtschaftliche und technologische Aufschwung viel schneller vollzog, entwickelte sich der landwirtschaftliche Hof Kroschewski zu einer Art Vorzeigeobjekt im sozialistischen System.
Die Arbeitskraft der Pferde zum Einsatz bei den landwirtschaftlichen Maschinen wurde durch die Anschaffung von Traktoren ersetzt. Die Verwendung eines hydraulischen Wendepfluges in der Bestellung der Ackerflächen läutete ein neues Zeitalter ein.
Dennoch war die Lebensqualität unter Berücksichtigung des arbeitsintensiven Einsatzes aller Familienmitglieder relativ bescheiden und man lebte als Eigenversorger mehr oder weniger von der Hand in den Mund.
Der Kalte Krieg: Der schwellende Ost-West Konflikt machte sich in der ideologischen Propaganda ab 1958 zunehmend bemerkbar. Als die Deutschen in Polen für den weiteren Verbleib keine gesicherte Existenz für sich und die Zukunft ihrer Kinder sahen, beschlossen immer mehr deutsche Familien Ostpreußen endgültig den Rücken zu kehren und verstärkt Anträge auf Ausreise zu stellen.
Ausreisewelle: Besuche in den Westen waren nur durch vorzulegende Einladungen der dort lebenden Familienangehörigen möglich. Schwiegertochter Anna erhielt eine solche Einladung von ihrer Cousine, die denselben Geburtsnamen (geb. Parschau) des Elternhauses vorlegen konnte, und die sich als ihre Schwester gegenüber den Behörden ausgab. Sie reiste im November 1958 mit einem ihrer Söhne nach West-Deutschland ein und besuchte ihre Verwandte im Raum Bielefeld, Bochum, Köln und Kassel, um nach geeigneten Aufenthaltsorten für den Fall einer Übersiedlung Ausschau zu halten.
Nach der Rückkehr und den Berichten über den erlebten extremen Vergleich zwischen der hiesigen Planwirtschaft mit Versorgungsengpässen und der dortigen freien Marktwirtschaft, wurde dem Wunsch zur Übersiedlung höchste Priorität eingeräumt.
Mehrere Ausreiseanträge wurden über drei Jahre hinweg abgewiesen. Es herrschte eine Zeit der Gleichgültigkeit zwischen Warten und Hoffen.
Das Todesjahr 1962: Paul Kroschewski spürte die Aufbruchsstimmung in der Familie und dass sein Leben sich dem Ende neigte. Im hohen Alter von über 83 Jahren verstarb er am 01.03.1962 zu Hause. Er wurde an der Seite seiner verstorbenen Frau Margarete im Familiengrab auf dem Bischofsburger Friedhof beigesetzt.
Die Ausreise 1962: Die Familie Werner und Anna Kroschewski erhielt mit dem fünften Antrag die ersehnte Genehmigung zur Ausreise nach West-Deutschland im November 1962. Binnen sechs Wochen wurde das Inventar veräußert, denn der Ausreisetermin war auf den 24.12.1962 (Heilig Abend) terminiert.
Am Morgen des 1. Weihnachtstages um 8:00 Uhr trafen sie im Durchgangslager Friedland bei Göttingen ein.
Text und Bilder: Johannes Kroschewski
Kassel, Juni 2010