Vom Brauen und Brennen
Neben der Landwirtschaft galt das Brauen und Ausschenken des Bieres als bedeutsamster, städtischer Erwerbszweig. Die ganzen, am Markte oder in seiner Nähe gelegenen Häuser besaßen von alters her die Braugerechtigkeit. Ursprünglich gab es in der Stadt 51 Häuser zu je 2 Hufen. Wenn später einzelne Hufengrundstücke geteilt wurden, so blieb die Braugerechtigkeit auf einem der aus der Teilung hervorgegangenen Grundstücke ruhen. So besaßen denn auch noch bei der Landesaufnahme im Jahre 1772 51 bevorrechtigte Häuser diese Gerechtigkeit, von denen 39 sie ausübten. Die zum Brauen berechtigten Großbürger waren 1784 zur Mälzerbräuerzunft vereinigt. Das Brauhaus wird in dem Inventarienverzeichnis von 1772 als öffentliches Gebäude bezeichnet. Es war Eigentum der Stadt und von dieser an die Mälzenbräuerzunft gegen einen jährlichen Pachtzins von 2 Rtlr. erblich überlassen worden.
Bis 1824 stand das Brauhaus auf dem Markte. Dann wurde es abgebrochen und an den Nordrand der Stadt, in die Nähe des Dimmerflusses (Zatripsches Grundstück) verlegt. 1858 erbaute der Hufenbesitzer Mathias Kujawa ein massives Malzhaus "auf dem Platze, worauf viele Jahre die städtische Brauerei gestanden hatte." "Weil 1826 wegen Trockenheit des alten Brunnens das Wasser wieder gefahren werden mußte", wurde ein neuer ausgebohlter, trockener Brunnen näher am Brauhause hergestellt, in den das Wasser durch zwei Rinnen aus dem Flusse hineingeleitet wurde. Niemand fand etwas dabei, daß in dem zum Brauen verwandten Dimmerwasser weiter oberhalb an der Kuhbrücke die Pferde geschwemmt und das Vieh getränkt wurden.
Die Herstellung des Bieres erfolgte in der einfachsten Weise aus Malz und Hopfen unter Zusatz von Hefe. Der Hopfen wurde auf unseren heimischen Fluren angebaut. So gab es auf dem Gute Adamshof noch vor etwa 50 Jahren ausgedehnte Hopfenfelder. Das nötige Malz wurde in den Malzhäusern, auch Darrhäuser genannt, hergestellt. Im Kellergeschoß befanden sich die ausgemauerten Quellbottiche, in welche die Gerste geschüttet wurde. Man rechnete auf ein Gebräu von 18 bis 20 Tonnen Bier etwa 44 bis 45 Scheffel Gerste. Im ersten Geschoß lag die Darre. Aus der Mälzerei wanderte das fertige Malz in das Brauhaus. Das gewonnene Bier wurde in großen Stückfässern aufbewahrt. Für die Benutzung der Braupfanne des städtischen Brauhauses zahlten die Bürger eine bestimmte Abgabe, das Pfannengeld, an die Kämmerei.
1772 betrugen die Einkünfte aus dem Brauhause und den Märkten 150 Fl. Die beiden Bürgermeister und die 6 Ratsverwandten bezogen damals je Person aus dem Brauhause jährlich 4 Floren Akzidentien. Die Ueberwachung des städtischen Brauhauses und die Ordnung des Brauwesens lag in den Händen der Braudeputation, die von der Braugemeinde, den zum Brauen Berechtigten, gewählt wurde. Der Bürgermeister führte den Vorsitz; der Stadtkämmerer verteilte die Brautage auf die einzelnen Häuser und zog die Brauabgabe ein. 1826 waren im städtischen Brauhause 125 Gebräue hergestellt worden. Das Pfannengeld betrug für jedes Gebräu 25 Sgr.
Weil das Bier zu den gewöhnlichen Lebensbedürfnissen gehörte, eignete es sich recht gut als Steuerobjekt. Die Ziese oder Bierziese ist die älteste Steuer in Preußen. Wer brauen lassen wollte, zahlte die Steuer und erhielt eine mit Namen und Wachssiegel versehene Quittung, die er dem Brauer übergeben musste. 1774 wurde in Bischofsburg die Akzise, jene indirekte Steuer von den Verbrauchsgegenständen, von 1878 Scheffeln Malz erhoben.
Die Brauzeit war auf die Zeit von Bartholomaei (24. August) bis Jakobi (1. Mai) beschränkt. In dieser Zeit brauten die dazu berechtigten Bürger im städtischen Brauhause umzech (reihum). Die Stadtwillkür (Polizeiverordnung) aus dem Jahre 1609 bestimmt darüber im Artikel 14: "Wer im ganzen Hause wohnhaftig, soll binnen 3 Wochen und der im halben Hause binnen 6 Wochen nicht brauen bei einem Vierdung Buße. Wird er aber zu dreimal bußfällig, so soll ihm sein Brauen Jahr und Tag niedergelegt werden".
Bei der großen Menge des gebrauten Bieres ist zu bedenken, daß das Bier Volksgetränk für Mann und Frau war. Bevor man hier den Kaffee oder Tee kannte, gehörte das Bier zu den gewöhnlichsten Nahrungs- und Genußmitteln jedes Alters und Geschlechts. Als Morgentrunk, zum Frühstück, zum Mittag- und Abendessen genoß jeder, der sich etwas Besseres als Mehlsuppe gönnen durfte, eine Biersuppe oder einen Krug Bier. Noch vor 30 Jahren wurde es viel bereitet und zu besonderen Gelegenheiten, wie Roggenernte und Kirmes, hergestellt. Es war ein obergäriges Bier, unserem Braunbier vergleichbar, und es hatte nicht die berauschende Wirkung des Lagerbieres.
Jeder Mälzenbräuer verzapfte sein Bier und verkaufte es aus seinem Hause, das für bestimmte Zeit ein öffentlicher Schank war, in dem sich Städter wie Landbewohner gütlich tun durften. 1767 gab es in der Stadt 32 Schankbetriebe. Zum Zeichen des frischen Anstichs steckten die Mälzenbräuer ein Schild oder einen grünen Tannenzweig vor der Tür aus. Doch zuvor mußte die Güte des Bieres durch einen trinkfesten Ratsherrn geprüft werden. Was vor der geübten Zunge nicht bestand, floß ohne Gnade in den Rinnstein. Artikel 18 - 20 der Willkür bestimmten darüber: "Kein Bürger soll sein Bier selber setzen und schenken ohne Wissen des Rates bei 3 Mark Strafe". "Es soll niemand fremdes Bier oder Met in die Stadt zum Verschenken einführen bei 3 Mark Buße". "Jedermann soll voll Maß geben. Wird jemand dagegen tun und mit falschem Maß beschlagen, der soll der Stadt Willkür verbüßen (36 gute Schilling). Geschieht's zum dritten Mal, soll ihm sein Schenken Jahr und Tag niedergelegt werden".
Wie bereits erwähnt, hatte jedes der 51 alten Bürgerhäuser die Schankerlaubnis. In erster Linie bevorzugt waren natürlich die Häuser am Markte. Erst in neuerer Zeit trat zum Bierausschank der Vertrieb von Kolonialwaren hinzu. Einen eigenen Bierverkauf betrieb die Stadt im Stadtkruge, der auf der Rößeler Vorstadt stand. Er war bis zum Jahre 1836 das einzige Gasthaus.
Die Ausfuhr des erzeugten Bieres auf das platte Land war in alter Zeit wegen der Armut der Umgebung der Stadt nicht bedeutend. 1773 wurden 59, 1774 79 Tonnen Bier ausgeführt. Als sich in der 1. Hälfte des vorigen Jahrhunderts infolge Anlage der ersten Kunststraße der Fremdenverkehr hob, nahm der Biervertrieb bedeutend zu. Die Güte des Bischofsburger Bieres scheint von jeher geschätzt worden zu sein. Der Landrat von Knoblauch berichtet in einem Schreiben vom 26.6.1832 an die Regierung: "In den benachbarten Städten sind nur unbedeutende Brauereien. Aus Bischofsburg wird viel Bier nach anderen Städten und Orten ausgeführt." Da für eine Herstellung des Bieres in großen Mengen das öffentliche BrBrennenauhaus mit nur einer Braupfanne nicht ausreichte, erfolgte von dieser Zeit an immer mehr die Bierbereitung in privaten Brauereien. 1839 gab es in der Stadt 3 Brauhäuser.
Um 1840 verlegten die Kaufleute Pruß (heute Gotzheim) und Milkau (Frankenstein) ihre Brauereien aus dem Innern der Stadt auf ihre Abbaugrundstücke auf der vor kurzem separierten Feldmark. 1849 erhielt der Ackerbürger Andreas Görigk die Erlaubnis zur Errichtung einer kleinen Brauerei mit Darre auf dem Grundstück Nr. 32 (Grunau). Jacob Ertmann (Rohse) verlegte 1856 seine Brauerei aus dem Hinterhause (städtisches 5-Familienhaus) auf einen wüsten Platz (heutiges Hausgrundstück gegenüber der Probstei, Käsling-Königsberg gehörig). 1866 erbaute Ertmann, wie die in dem Eckstein eingemeißelte Zahl bekundet, das Pscholkasche Haus in der Spiringstraße und verlegte Brauerei und Bierausschank dorthin. Das Wasser zum Brauen wurde der Dimmer entnommen. Beim Bau der Färberei und Bettfedernreinigungsanstalt Milkau 1929 kam in der Nähe der Brücke der von Bohlen eingefasste Wasserbehälter zum Vorschein. Karl Wunder erbaute 1859 ein massives Brau- und Malzhaus in seinem am nördlichen Rande der Stadt gelegenen Garten, der im Süden von der Dimmer und im Westen von Wohnbuden begrenzt war. Diese Brauerei lag am Ende der heutigen Mälzerstraße. Der spätere Besitzer Sommer erbaute um 1880 gegenüber der Brauerei einen großen Eiskeller. Brauerei und Eiskeller dienen heute als Wohnhäuser. Mathias Kujawa errichtete 1858 ein massives Malzhaus (Zatripsches Grundstück). Jacob Ertmann erbaute 1859 ein massives Malzhaus (das heutige Leutehaus neben der Brauerei Daum) neben den Malzhäusern der Kaufleute Glaß und Pruß. 1860 richtete Josef Görigk auf dem Hofe des Hauses Nr. 25 (Angrick) eine Brauerei ein. Um die gleiche Zeit mag auch die Wundersche Brauerei in der Feuergasse (neben dem Reschkeschen Speicher) entstanden sein. Die größte der Brauereien war die des Kaufmanns Pruß. Sie stand am früheren Mühlenteich, wo sich heute die Brauerei Daum befindet. 1841 lagerten in der Prußschen Malzdarre 1500 Scheffel Gerste.
Der Brauereibetrieb der Bürgerschaft wurde in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch das Aufkommen des untergärigen, sogenannten bayrischen Bieres nach und nach zurückgedrängt. Das bayrische Bier wurde lange Zeit hindurch allein im Gasthaus Eschholz (altes Finanzamt) verkauft. Das alte Bier konnte mit dem neuen nicht in Wettbewerb treten, und so steckte ein Mälzenbräuer nach dem andern sein Schild und seinen Tannenzweig ein. Heute erinnern nur noch ein paar "Brau-" und "Mälzhäuser", sowie die Mälzerstraße an die Zeiten, da der Bischofsburger Bürger sein eigener Biererzeuger war und in diesem Erwerbszweige einen wesentlichen Bestandteil seines Einkommens fand. An die Stelle der vielen kleinen Brauereien ist seit 1885 ein größeres, industrielles Unternehmen, die Brauerei Daum, getreten. Die Güte des Bieres dieser Brauerei hat den Namen der Stadt Bischofsburg in weite Teile der Provinz getragen.
Neben dem Biere wurde etwa seit dem 16. Jahrhundert Branntwein hergestellt. Jeder Bürger, der Branntwein herstellen wollte, zahlte 1 Mark Akzise zur Kämmereikasse. 1774 wurde in Bischofsburg die Akzise von 185 Scheffeln Branntweinschrot erhoben. Am 13. April 1824 brannten in Bischofsburg 27 Wohnhäuser, 12 Ställe und 1 "Brandthaus" (Brennerei) nieder. In einem Bericht des Magistrats an die Regierung vom 27.2.1836 über den Erfolg der ersten Gemeinheitsteilung wird ausgeführt: "Hier ist nur eine Brennerei vorhanden und infolgedesseen wenig Gelegenheit, Getreide und Kartoffeln vorteilhaft abzusetzen..... Der Besitzer der Brennerei zugleich Kaufmann, kauft daher alle Getreidearten".
Nicht nur das gute, alte Bier, sondern der Branntwein hat in früheren Zeiten manches Elend über unsere Stadt gebracht. So heißt es in einem geschichtlichen Rückblick vom 3.9.1809: "Ein Teil der Schuld an dem wirtschaftlichen Elend der Stadt muß deren (der Einwohner) übertriebenem Hange zum Trunke beigemessen werden". Im Jahre 1825 wird in einer Beschwerde des Majors von Frieben Klage darüber geführt, dass die Sauferei in keiner Stadt so zu Hause sei wie hier. Der Bürgermeister Wunder bestreitet dies nicht, sondern erwidert lediglich, daß die Sauferei bis dato nach dem Allgemeinen Landrecht noch nicht verboten sei, daß er aber Ruhestörungen hinreichlich rüge. Die Magistratsakten "Zeitungsberichte" für den Monat Dezember 1841 entwerfen folgendes trauriges Bild: "Im allgemeinen herrscht hier große Armut, und diese entspringt hauptsächlich aus dem unmäßigen Genusse des Branntweins. Die Trunksucht hat sich nicht nur unter den Männern, sondern auch unter den Weibern verbreitet, und es ist zu befürchten, dass dieses Wohlstand, Gesundheit und Sittlichkeit zerstörende Laster sich auch der Kinder bemächtige, wenn demselben nicht kräftig entgegengewirkt wird. Aus den meisten Familien der hiesigen, weniger bemittelten Bürger und der arbeitenden Klasse ist die sonst üblich gewesene Erbsensuppe, Mehlsuppe und dergleichen als Frühstücksspeise verbannt und Branntwein und Brot an deren Stelle getreten. Gesellen, Burschen und Kinder nehmen an diesem Mahle teil, und so wird der Keim des Lasters schon in die zarte Jugend verpflanzt. Forscht man den Ursachen nach, warum jene nahrhaften Speisen durch den Branntwein verdrängt sind, so stellt sich der Umstand, dass der Branntwein das billigste Frühstück ist, als die Hauptveranlassung heraus; denn der Stof Branntwein wird zu 3 Sgr. 7 Pf., bei einigen Schenkern sogar zu 2 Sgr. 8 Pf. verkauft". In den folgenden Jahren wird die erfolgreiche Wirksamkeit des Enthaltsamkeitsvereins der katholischen Kirche anerkennend hervorgehoben.
Quelle: Robert Teichert "Die Geschichte der Stadt Bischofsburg", erschienen 1935