Bischofsburger Heimatfreunde Reiseziel: Die alte Heimat
Bischofsburger fuhren nach Bischofsburg
Von Elisabeth Krogull,
die am 17.07.1924 in Bischofsburg geboren wurde, bis 1945 in der Stadverwaltung arbeitete und in der Mühlenstraße 7 wohnte.
Ende Mai 1989 fuhren erstmals 44 Bischofsburger und Landsleute aus der näheren Umgebung mit einem Bus gemeinsam in unsere alte Heimat. Allenstein war unser Hotelstandort, aber Bischofsburg unser eigentliches Ziel. Und was wir in unserem Heimatort erlebten, darüber möchte ich berichten.
Eines sei vorab gesagt: Der in langer mühsamer Kleinarbeit von unserem Organisator und Reiseleiter Egbert Huhn (früher Seeburg) vorbereitete Besuch unserer unmittelbaren Heimat wurde für uns alle zu einem Erlebnis bleibender Erinnerung. Zusammen mit dem auf dem elterlichen Hof in Neudims wirtschaftenden Paul Gollan waren wertvolle Kontakte angebahnt, die man für das Gelingen eines derartigen Unternehmens benötigt. Und so kam es zu Begegnungen, die wir eigentlich gar nicht erwarten konnten.
Voller Spannung waren wir, als unser Bus sich auf der gut ausgebauten Straße unserem Bischofsburg näherte. Nicht mehr die Chaussee über Ridbach, sondern eine Umgehungsstraße ist der Hauptweg in die Stadt. Der Kirchturm grüßte von weitem, als winkte er uns herbei. Was würde uns erwarten? Was würden wir noch aus unserem in Erinnerung gebliebenen Bischofsburg vorfinden? Bange Fragen für viele, denn die meisten von uns kamen erstmals nach Jahrzehnten wieder hierher, hatten sich zur Teilnahme an dieser Gemeinschaftsfahrt entschlossen.
Es war Montag, der 29. Mai 1989, 10 Uhr, als wir auf dem Bahnhofsvorplatz unserem Bus entstiegen. Wir waren gerührt, und die ersten Tränen kollerten, als uns mehrere noch in Bischofsburg Verbliebene mit Blumen begrüßten und in Empfang nahmen. Gemeinsam gingen wir durch die Straßen zur St. Johanneskirche. Auf den Stufen des Portals erwartete uns Probst Raimund Sudzinski, begrüßte und segnete unsere Gruppe und führte uns mit dem Orgelspiel des vertrauten Liedes "Maria zu lieben" in die Kirche. Für unsere Ursel Winkler/Tietz und ihren Waldemar war dieses ein besonders Erlebnis, denn 1943 waren sie hier mit denselben Klängen zum Traualtar getreten. Probst Raimund, so wird er von der Bevölkerung gern genannt, feierte mit uns eine deutsche Messe. In seiner Predigt erinnerte er unter anderem daran, daß viele von uns in dieser Kirche getauft seien, die Erstkommunion empfangen hatten, getraut wurden; und deshalb ist es verständlich, daß in dieser Stunde unsere Ergriffenheit übergroß war. Auch für unsere dort noch lebenden Bischofsburger war es ein besonderes Erlebnis, endlich wieder eine Messe in unserer Muttersprache feiern zu können. Mit dem Choral "Großer Gott, wir loben dich" nahm ein Höhepunkt unserer Heimatreise seinen Abschluß.
Nach einem Erinnerungsfoto vor der Kirche - überhaupt wurde alles fotografiert und gefilmt - nahmen wir die dortigen Bischofsburger in unsere Mitte, und wir gingen die wenigen Schritte zum uns vertrauten Bahnhofshotel, wo das vom Probst bestellte Mittagessen auf uns wartete. Hierzu war auch der Naczelnik, das Oberhaupt der Stadt und Gemeinde Biskupiec/Bischofsburg, zusammen mit den Direktoren des Gymnasiums und der Volksschule, erschienen. Der Herr Naczelnik begrüßte uns mit sehr herzlichen Worten - Probst Raimund hatte die Aufgabe des Dolmetschers übernommen - und brachte in seiner Rede unter anderem zum Ausdruck, daß wir früheren Bischofsburger in unserer Heimatstadt immer willkommen seien und er sich über unseren Besuch sehr freue. Er überreichte uns eine Vase mit dem Bischofsburger Stadtwappen zum Geschenk. Wir bedankten uns bei ihm mit einer Geldspende für die Kinder der Stadt, das Geld ist inzwischen dem "Fest der Kindergärten" zugute gekommen. Dem Herrn Probst wurde für seine Kirchengemeinde ebenfalls eine Geldspende übergeben.
Nach dem Mittagessen führte uns der Naczelnik in die städtische Altentagesstätte, und wir besichtigten hier die Räumlichkeiten und Einrichtungen. Anschließend kamen nun die Herren Schuldirektoren auf den Plan, denn in den Vorgesprächen war der Wunsch geäußert worden, möglichst auch den schulischen Kindheitserinnerungen begegnen zu können. Die frühere Mädchenschule ist jetzt Oberschule und die Knabenschule die Volksschule. Wir besichtigten mehrere Klassenräume, die ordentlich mit Tischen und Stühlen ausgestattet sind. Wir durften uns überall umsehen, auch in den Computer- und Schreibmaschinensälen für die berufliche Vorbereitung der Schüler
Unsere besondere Beachtung fand der Raum des Schulmuseums mit überwiegend polnischen, aber auch deutschen Exponaten. Es sollen auch noch alte Zeugnisse existieren, aber hiervon wollten wir nichts mehr wissen. Zum Abschluß des Schulbesuches ging es in die Aula. Schnell stellte sich Erna Hinze/Rogalla vor uns und dirigierte, wie einst unser Frl. Rose. Und im Gedenken an sie erklang unser Gesang "Grüß Gott, du schöner Maien". Die polnischen Herren klatschten Beifall, nachdem der Herr Probst übersetzt hatte, was wir gesungen haben. Wir verabschiedeten uns mit einem herzlichen Dankeschön und mit der Einladung, an unserem Bischofsburger Abschiedsabend zugegen zu sein.
An diesem ersten Bischofsburg-Tag verblieb uns nicht mehr viel Zeit für weitere Unternehmungen. Das vorbereitete Programm hatte uns in unsere Jugendzeit zurückgeführt. Unsere Gedanken beschäftigten sich mit dem eben Erlebten, und unser Bus brachte uns die 40 km nach Allenstein in unser Hotel zurück.
Unseren nächsten Bischofsburg-Tag hatten wir am folgenden Mittwoch, diesmal ohne Programm. Viele waren schon mit den dortigen Bischofsburgern verabredet, und unser Bus wurde von ihnen erwartet. In eigner Regie verteilten wir uns in meist kleineren Gruppen auf die Stadt oder man fuhr mit Taxen in sein Heimatdorf. Jeder ging seinen persönlichen Interessen nach, denn gedanklich hatte man sich schon seit Monaten auf das Wiedersehen der Heimat vorbereitet. Und da alle von uns weitgehend dieselben Interessen hatten, wurden Erinnerungen wach und ausgetauscht: Beim Gang durch die Straßen, beim Besuch des Friedhofs, bei der Besichtigung der jetzt katholischen, früher evgl. Kirche, beim Spaziergang im Stadtwald, wo wir früher unsere Kinderfeste und Ausflüge erlebten oder an unserem Kracksee mit der Liebesinsel und vieles mehr. Zum Mittagessen trafen wir uns wieder im Bahnhofshotel, das jetzt "Vier Asse" heißt.
Eine Abordnung von uns ging mit Probst Raimund zum Krankenhaus, um dort mitgebrachte Medikamente zu übergeben. Hocherfreut war die Leiterin über die unverhofft erhaltene Zuwendung, denn Medikamente sind dort immer noch ein Problem.
Ich selbst war mit acht weiteren Bischofsburgern bei Maria und Jurek am Kracksee zum Kaffee eingeladen. Winklers und ich hatten Maria bei unserem Bischofsburg-Besuch vor zwei Jahren kennengelernt, und es hat sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt Sohn Adam entfachte am Ufer ein Feuer, damit Würstchen gegrillt werden konnten, und Vater Jurek schipperte mit uns auf dem See umher. Die Stunden verrannen sehr schnell, gern wäre man noch länger geblieben.
Da mehrere ihr Besuchsprogramm in Bischofsburg noch nicht erledigt hatten, setzten diese sich am Freitag von der Gruppe ab. So auch ich, und mit anderen ging es in einer Taxe zu unseren Freunden auf den Bauernhof der Familie Gollan in Neudims. Na, dort gab es erst viel zu "schabbern" und zu "bekakeln", zumal auch Mutter Gollan aus der Bundesrepublik zu Besuch weilte. Die ländliche Umgebung, Feld und Flur, hier ist die Natur noch in Ordnung. Und auf dem Spaziergang durch die Wiesen am idyllisch gelegenen Daddai-See fanden wir auch das Zittergras, das sich meine Freundin als Mitbringsel so sehr gewünscht hatte.
Die Tage zwischen den Besuchen in Bischofsburg waren ausgefüllt mit Ausflugs- und Besichtigungsfahrten in der uns zugänglichen ostpreußischen Heimat. Und als das Wochenende nahte, hieß es, von unserem Bischofsburg Abschied zu nehmen, was wieder zu einem Höhepunkt unserer Reise werden sollte.
Am Sonnabend, den 3. Juni 1989 fuhr unser Bus, diesmal über die altvertraute Chaussee durch Ridbach, nach Bischofsburg. Am frühen Nachmittag hielt Probst Sudzinski mit uns und der Kirchengemeinde einen Gottesdienst. Unsere zum Orgelspiel gesungenen Choräle hallten ehrfurchtsvoll durch das Kirchenschiff - ein ergreifendes Erlebnis. Unser Dank gilt auch den beiden (deutschen) Ordensschwestern Barbara und Josefa, die mit die Gestaltung dieser Feier übernommen hatten. Im Anschluß versammelten wir uns, die Bischofsburger von hier und dort, in der alten Kaplanei, denn Probst Raimund hatte zu einer Kaffeetafel eingeladen. Mehrere Frauen hatten Kuchen nach alten ostpreußischen Rezepten gebacken, und wir haben die Kaffeebohnen mitgebracht. Dichtgedrängt saßen wir auf Stühlen und Bänken, und alle langten tüchtig zu. Und in diesem herzlichen Durcheinander kam Hochstimmung auf, als der Probst eine etwa 150 cm lange Kuchenrolle auf einer Glasplatte hereintrug. Da wir erfahren hatten, daß er während unseres Aufenthaltes in der Stadt sein 35jähriges Priesterjubiläum feierte, gratulierten wir mit einem Blumenstrauß.
Doch wir sollten noch lange nicht auseinander gehen, denn der "heimatliche Abschiedsabend" war für 18 Uhr im Bahnhofshotel angesagt. Und da wir hierzu unsere dortigen Bischofsburger mit ihren Familien eingeladen hatten, war der Saal mit fast 100 Personen gefüllt. Auch die Herren Probst, Naczelnik und Schuldirektoren waren unserer Einladung gefolgt. Wir nahmen an einer festlich gedeckten Tafel Platz; ein kleines Orchester umrahmte den Abend. In kurzen Ansprachen wurde beidseitig der Dank für das Zustandekommen dieser Begegnung zum Ausdruck gebracht. Und im anschließenden fröhlichen Teil wurde dann tüchtig "gescherbelt".
Es war nach Mitternacht, als nach den Abschiedsworten des Naczelnik und des Reiseleiters unser Fest seinen Abschluß nahm und wir mit dem Bus unseren Heimatort verließen. Eine Fahrt durch die Stille der Nacht von Bischofsburg nach Allenstein: auffallende Ruhe und Besinnung bei uns.
Für uns waren es unvergeßliche Tage. Immer wieder wurde der Wunsch laut, solch eine Fahrt bald zu wiederholen. Wann? In zwei Jahren?