Treffen 2010 der Bischofsburger Heimatfreunde

Bericht vom 24 ½ . Treffen der Bischofsburger Heimatfreunde
und Einladung zum nächsten Treffen

von Gisela Heese, Große Klosterkoppe 61, 23562 Lübeck

Um es gleich vorweg zu nehmen: Unser Vorsitzender Heinrich Ehlert und mit ihm noch ein paar andere Bischofsburger haben nachgerechnet und herausgefunden, dass unser Jubiläumstreffen ein Jahr zu früh angesetzt war. Zählt man das allererste Treffen einer Mädchenklasse bei ihrer Lehrerin Frau Rohse nicht, sind wir erst im Jahre 24 der Gründung. Da man Geschichte nicht umschreiben soll, wir kennen ja seit George Orwells 1984 die Konsequenzen, habe ich mich zu obiger Bezifferung durchgerungen, trotz zu erwartender Schelte.

Nichtsdestoweniger teilt uns Heinrich bei seiner Begrüßungsansprache am Freitagabend mit, dass ein freudiger Anlass zu feiern sei. Die Sammlung Döring, bestehend aus alten Bildern Bischofsburgs und akribisch gezeichneten Grundstückskarten der ermländischen Stadt, übertrug der Vermächtnisverwalter des Sammlers auf die Bischofsburger Heimatfreunde: ein Schmankerl, das uns als Sonntagsbraten dienen soll. Doch bis es soweit ist, gilt es der Tradition folgend zuerst, die Neue zu begrüßen. Der Zugewinn diesmal ein besonderer: Frederike Köhntopp ist keine Bischofsburgerin, möchte es aber gerne werden. Wie man unten sieht, wird sie gleich ordentlich eingespannt.

Wir sind heuer gerade 76 Menschen, die sich um die Tische des WEBERHAUSES in Nieheim versammeln, aber viele unserer Freunde lassen uns grüßen, die dieses Jahr nicht haben kommen können. Wir hoffen auf ein Wiedersehen.

Dann erheben wir uns und ehren unsere Toten. Unser Ältester Ernst Berger (90) ist im Mai sanft in den Armen seiner Frau entschlafen. Wir hatten noch ein flottes Tänzchen gewagt beim letzten Mal, und Ernst hatte mir locker meine Grenzen aufgezeigt. Auch Alois Osten (89), unser Senior in spe, hat sein Ziel nicht erreicht. Maria Thomas geb. Wontorra (86), Magdalene Bessel (84) und Kurt Kunz (79), sind in diesem letzten, schweren Winter von uns gegangen; jeder Name tut weh. In unsere Wehmut mischt sich zärtliches Gedenken.

Und da sind unsere Ältesten, die es zu ehren gilt: Bei den Damen hält unangefochten Waltraut Nikolai ihren Platz. Unter den Herren ist Fritz Steinbach aufgerückt,Jahrgang 1923. Wie es scheint, will er es Waltraut gleich tun.

Viele von Euch werde ich am heutigen Abend oder morgen im Arm halten, und ich möchte Euch sagen, wie schön ihr seid - in Eurem Alter, in Eurer Blindheit, in Eurer Weisheit - wunderbar und liebenswert. Doch die sinkende Teilnehmerzahl spricht eine deutliche Sprache. So kann Heinrich nicht umhin, uns eine Gretchenfrage zu stellen:

"Wollt ihr das Treffen auf 2 Tage begrenzen, und was soll dann wegfallen?"

Das Abstimmungsergebnis, am Samstagabend verkündet, ist eindeutig: 17 stimmen für eine Verkürzung, alle anderen wollen weiter drei Tage miteinander feiern, plachandern, lachen, zusammen sein. Alles bleibt wie es ist.

Reinhard Plehn kommt mit guten Nachrichten aus Bischofsburg:
Sie haben wieder im Oktober 500,00 € für das Kinderheim nach Bischofsburg, poln. Biskupiec, bringen können. Das Geld des Vorjahres floss sichtbar in die Möblierung des Übernachtungshauses.
Die Ausgrabungen auf dem Marktplatz sind beendet, der Platz mit Grünbepflanzung und Brunnen neu gestaltet und am 29.07.2010 eingeweiht. Nun gilt vielen das Städtchen als das schönste im Kreis Rößel. Von den großen Plänen eines Freilichtmuseums ist allerdings nichts übrig geblieben.
Auch das Bischofsburger Krankenhaus macht Karriere, es soll eine Dependance der Universität Allenstein werden, in der man ab Oktober 2010 Studenten ausbilden will.
Die wohl letzte Großveranstaltung aller Ostpreußen in Erfurt am 28.-29.05.2011 legt er uns noch einmal ans Herz.

Dann wird wieder heftig plachandert und der Lärmspiegel steigt, bis 23 Uhr!

Der Samstag beginnt mit Wiedersehensfreude und wird nach dem Frühstück ab 9.30 Uhr mit Filmen und Dia-Schau fortgesetzt. Aus dem DVD-Film "Bischofsburg und seine Umgebung" (Hans-Joachim Jessen 2009) blieb mir besonders das Kriegerdenkmal in Gr. Köllen in Erinnerung. Dort hängen in deutscher Sprache nicht nur Gedenktafeln für die Gefallenen beider Weltkriege, sondern auch eine, auf der deutscher Flüchtlinge, Vertriebener und Deportierter bis 1948 gedacht wird. Diese Geste verdient unsere besondere Achtung, da sie als echtes Zeichen der Völkerversöhnung verstanden werden darf.

Der Film widmet sich nicht nur den baulichen Hinterlassenschaften der deutschen Geschichte, er zeigt wie die polnische Bevölkerung sich seither mit dieser Vorgeschichte eingerichtet hat. Das nur allzu oft der Verfall alter Gemäuer porträtiert wird, mag vor allem den jüngsten politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen geschuldet sein. War die Mühle von Bansen noch 1970 liebevoll restauriert worden, so ist sie nun dem Verfall preisgegeben - keiner fühlt sich zuständig. Dem ehemals stattlichen Gut Bansen erging es nicht besser: ebenfalls 1970 restauriert und bis 1991 als landwirtschaftlicher Großbetrieb aktiv, wurde das Gut 1997 privatisiert und rottet nun dem Zerfall entgegen. Die kulturhistorisch wertvolle dreistöckige Scheune von Legienen rettet nur der gute, hoffentlich nachhaltige Wille des polnischen Besitzers vor dem Niedergang.

Der Videofilm "Von trutzigen Burgen, Ritterorden und kristallklaren Seen" beschreibt das Oberland und das Ermland, allerdings in Originalaufnahmen aus der deutschen Zeit, zum Teil sogar in Farbe, eine Rarität (ca. 1938 bis 1942). Zu bestaunen ist ein reiches Agrarland mit schönen, ehrwürdigen Städten, Dörfern und Ordensritterburgen: eine satte, sanft gewellte Landschaft mit ihren Bewohnern, ob Menschen, Störche oder die allgegenwärtigen Pferde. Einer sagt hinterher, es tue ihm in der Seele weh, solche Aufnahmen zu sehen, denn "Dieses Land wird nie wieder deutsch sein, dorthin kommen wir nur noch als Heimweh-Touristen, wie uns die Polen nennen."

Eine wahre, bittere Erkenntnis, die seit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie 1960 bei allen ehemaligen Ostdeutschen angekommen ist. Vielleicht lässt sie sich leichter ertragen, wenn man den heutigen Zustand sieht und ein bisschen daran herummäkeln kann. Das tut guter Nachbarschaft nicht weh, aber den wehmütigen Seelen gut. Vielleicht rettet daraus resultierendes Engagement manches bauhistorische Kleinod vor dem Abriss.

Daran schließen sich alte Aufnahmen aus den Treffen 1981 in Wolfratshausen 1986 und 1988 in Hohenheim an. Zwanzig bis dreißig Jahre liegen zwischen gestern und heute. Die Gesichter strahlen soviel Zuversicht aus, man lacht, man feiert, man lehnt sich vertraut aneinander. Wir Jüngeren erkennen Euch Ältere als ehedem gleichaltrige Menschen wieder, sprühend vor Lebensfreude. Und da sind alte Gesichter, schon vergangen und doch wieder erkannt und benannt in der Erinnerung lebendig. Eines jedoch kann man klar erkennen, früher ging es trotz Schlips und Kragen fröhlicher zu. Wir haben zwar den Rock durch die Hose ersetzt und erst den Sakko, dann den Schlips und schließlich das festliche Hemd eingetauscht für mehr Ernsthaftigkeit. - Oder doch nicht?

Die Tanzfläche ist an diesem Tanzabend meist randvoll, das Navigieren darauf ohne Havarie ein kleines Kunststück. Es wird fröhlich mitgesungen und geschunkelt, die Bar eifrig aufgesucht. Am späten Abend das Lagerfeuer, wie jedes Jahr, - anrührend wie jedes Jahr; mit Liedern, die wir alle singen mit überquellendem Herzen und Inbrunst. "Land der dunklen Wälder ...". Draußen stürmt und regnet es, hier drinnen ist Wärme.

Sonntagmorgen im feinen Ausgehzwirn: Um 9 Uhr Messe mit Dank, dass wir uns wiedersehen können. Diesmal müssen die katholischen Bischofsburger für ihre evangelischen Freunde mit beten, denn deren Gottesdienst im bezaubernden, neugotischen Kirchlein fängt eine halbe Stunde später als angekündigt an. Viele die wollten, drehen im nasskalten Wetter bei: zudem kollidiert nun die Andacht beträchtlich mit dem Mittagessen. Dass der Pfarrer ein Lied weniger singen lässt, um den Konflikt zu entschärfen, kriegen nur zwei von uns mit, die sich dafür der kleinen Gemeinde gleich vorstellen dürfen. Während so mancher Lutheraner sich resigniert vornimmt, das nächste Mal gleich in die heilige Messe mitzugehen, hört man von der anderen Fraktion einige, die im folgenden Jahr den Gottesdienst in der niedlichen protestantischen Kirche feiern wollen. So kann Ökumene auch aussehen.

Nach dem Mittagessen klettern wir Jüngeren über Banklehnen, die Älteren drängen sich auf den harten Holzstämmen, alles wuselt durcheinander. Vor der Phalanx der geballten Bischofsburger Präsens flitzen diverse Fotografen einher, um alle vorteilhaft ins Bild zu rücken, derweil hinter ihnen eine grauschwarze Wand aufzieht, deren Schleusen jederzeit aufbrechen können.
(Stoßseufzer: Gerade noch rechtzeitig geschafft!)

Im Foyer sitzen hernach Gruppen, klären Historisches, lachen lauthals los, weil sie einen Sketch mit verteilten Rollen lesen. Übung für den Bunten Abend oder Trostpflaster für einige, die früher abreisen müssen?

Kaffeezeit mit leckerem Kuchen, dann folgt der Sonntagsbraten: Heinrich zeigt die Bilder der Fotosammlung Döring, ein wahrer Schatz an neu aufgetauchten Fotografien aus fast allen Perioden der Bischofsburger Geschichte seit Erfindung der Fotografie. Gleich wird herumgerätselt, wer das sein könnte, Gesichter, Straßen, Gebäude erfasst und zugeordnet. Für Heinrich steht viel Arbeit ins Haus, bis er all das digital aufbereitet hat.

Leider neigt sich damit meine Zeit in Nieheim dem Ende zu. Gisela Heese übergibt die Berichterstattung an Frederike Köhntopp und Manfred Plischka. Hier ihr Bericht:

Letzter Abend. An allen Tischen genießen wir die Gemeinschaft und das Zusammensein, knüpfen neue Freundschaften, sind ergriffen von so viel Heimatverbundenheit! Ich (Friederike), als Neue, gebürtig aus Schlesien und jetzt in Lindau/Bodensee ansässig, bin schnell mit den Bischofsburgern warm geworden. Trotz dauernder Regenschauer, ein Spaziergang durch den Ort fiel aus, blieben viele Gäste zum Abend, um noch mal zu feiern. Wir freuten uns, lachten und plachanderten ausgiebig. Heinrich Ehlert eröffnete den Abend mit netten Geschichten aus Ostpreußen. Über das bewährte Duo Ulla Kabatnik und Anneliese Schließer konnten wir Tränen lachen. Horst Bartel erzählte gekonnt Witze und Sketche. Sophie Bartel, zierlich vor dem Mikrophon, und Monika Rebel, berichteten in Versen über lustige Anekdoten. Zwischendurch sangen wir immer wieder schöne Volkslieder. Musiker Helmut Medow spielte dazu gekonnt auf seinem Akkordeon. Reinhard war wie immer der Fotograf und überall anzutreffen.

Abschied nehmen bis zum nächsten Mal. Im großen Kreis sangen wir zum Schluss "Hohe Tannen", "Kein schöner Land" und "Land der dunklen Wälder". Viele Tränen wurden heimlich weggewischt.

Am Montagmorgen konnten wir uns nur schwer trennen und versprachen im folgenden Jahr wieder dabei zu sein! So Gott will! Bis zum nächsten Mal, liebe Freunde, dann ist es wirklich das Jubiläumstreffen am letzten Augustwochenende 2011 im Weberhaus in Nieheim. Wer hat Ideen und Beiträge? (ehlert-heinrich@online.de)

Gisela Heese
Friederike Köhntopp
Manfred Plischka

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