Treffen 2009 der Bischofsburger Heimatfreunde

Bericht vom 24. Treffen der Bischofsburger Heimatfreunde

von Gisela Heese, Große Klosterkoppe 61, 23562 Lübeck
Ein sehr persönlicher Bericht.1. Tag - 21.08.2009:

Es gehört zur langjährigen Tradition, daß der Vorsitzende der Bischofsburger Heimatfreunde bei der Begrüßung der in diesem Jahr 87 Tagungsteilnehmer unsere Ältesten ehrt (Waltraut Nikolai und Ernst Berger, beide 90 und bei guter Gesundheit), die neu Hinzugekommenen vorstellt (Käthe und Gerhard Brandt, Gabriele und Benno Krause sowie Günter Hallwas) und die Namen derer verliest, die seit unserem letzten Treffen von uns gegangen sind. Unsere Schweigeminute gilt Kriemhild Gärtner geb. Hoenig (77), Alfred Koschinski (74), Dr. Erhard Pahnke (77), Eva Reichert geb. Sklarski (69), Renate Groß geb. Baranowski (85), Johannes Stalinski (76) und Else Kulbatzki.

      "Wir werden älter", sagt Heinrich Ehlert. Dennoch, die Zahl der Teilnehmer ist im Vergleich zum Vorjahr kaum weniger geworden. Von den "alten Hasen", die im letzten Jahr nicht hatten dabei sein können, haben 14 den Weg wieder nach Nieheim gefunden, dagegen haben es genauso viele dieses Jahr nicht ins Weberhaus geschafft, wir hoffen, Euch im nächsten, in unserem Jubiläumsjahr, gesund und munter wiederzusehen. Heinrich Ehlert ruft uns auf, frische Ideen für dieses 25. Treffen vom 27.08. bis 30.08.2010 beizusteuern (Heinrich Ehlert, Alter Soestweg 65, 59821 Arnsberg oder e-mail: ehlert-heinrich@online.de

      Auch einer guten alten Tradition entspringt der Bericht von Reinhard Plehn, der als Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Rößel e.V. mit einer Delegation regionaler Politiker ins Ermland gefahren ist und dabei die über 500 Euro aus unseren vorjährigen Sammeltöpfen an das Heim für behinderte Kinder übergeben hat. Aus dem Geld wurde eine zweite Villa möbliert, in der nun die 70 behinderten Kinder aus der Stadt und dem dazugehörigen Kreis (ca. 25.000 Einwohner) übernachten können. Auch beim Schüleraustausch soll ein neuer Anlauf genommen werden.

     Im Anschluß stellte Heinrich Ehlert die neue Trilogie über die Kinofamilie Laurenz aus Bischofsburg vor. Die romanhafte Familiengeschichte stellt die Entwicklung der kleinen Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts neben die zeitgenössische Geschichte, erzählt vom Kino, von den mehr oder weniger friedlichen Zeiten und endet mit der Flucht und Vertreibung der Ostpreußen. Heinrich liest einige Passagen aus den KINOKINDERN vor (Band 1 bis 3 von Gisela Heese, Bestellungen: 0171/4130126).

     Der Rest des Abends ist dem Plachandern vorbehalten und natürlich dem Gesang. Hans-Jürgen Walter hat einen Fragebogen vorbereitet, der ostpreußische Vokabeln abfragt. Von den 81 Teilnehmern haben immerhin 13 keine Fehler gemacht: Den Hauptpreis, ein romantisches Abendessen für Zwei, gewinnt Ernst Berger. Und der staunt nicht schlecht über die Fischkonserve mit zwei Plastikgabeln und einem Teelicht.

     Ein Stückchen Heimat hat sich hier manifestiert, ein Wiedersehen mit altbekannten Gesichtern, ein Stückchen gemeinsamen Lebens, die wir nur hier genießen können, eine Rührung, die ein wohlig warmes Gefühl aufkommen läßt. Und die Neuen? Mit offenen Armen aufgenommen - wie immer...

      Wir sind Bischofsburger, auch die, die in der Fremde geboren wurden.2. Tag - 22.08.2009:

      Schon beim Frühstück ist der Lärmpegel beträchtlich, es wird geredet und erzählt, gefragt und berichtet. Essen? Nebensache ...

      Für den Vormittag und den Nachmittag haben Heinrich Ehlert und Reinhard Plehn wieder Filme und Bilder vorbereitet: Ein Beitrag über Masuren von 2002, der die Vorbereitungen zum EU-Beitritt Polens im Ermland beobachtet, gelegentlich sogar erfrischend kritisch. Auch gesprochen, wenn auch die Zahlen keinerlei Anspruch auf historische Bezüge erheben können. Sei's drum, die Absicht ist erkennbar und lobenswert. Der neueste Fotobericht der letzten Bischofsburg-Fahrt wird vorgeführt und ein Zusammenschnitt der Höhepunkte aus zurückliegenden Treffen. Aber das Schmankerl des Tages sind die 70 alten Postkarten, die Gerhard Brandt liebevoll über die Jahrzehnte sammelte, von ihm und Heinrich Ehlert rechtzeitig zum Treffen als Diaschau bearbeitet. Eine Auswahl zeigt die Vielfalt und die gute Qualität des Materials. Bravo!

     Das Mittagessen? Gemüseeintopf mit viel, viel Wurst -schließlich sind wir in Westfalen. Doch der geht unter im Gespräch. Auch beim Abendessen werden die Köpfe zusammengesteckt, man hat sich ein Jahr nicht mehr gesehen oder will sich neu kennenlernen. Zwischendurch wird gesammelt, mit Zigarrenkiste und Losverkauf. Das bringt am Ende wieder über 500 Euro ein, die in Bischofsburg, heute Biskupiec ohne Umwege durch die Bürokratie ein lohnendes Ziel finden werden. Auch dieses Engagement für das neue, das polnische Bischofsburg eine gute, zukunftsweisende Tradition.

     Den Tanzabend eröffnen unsere Ältesten mit dem Ehrenwalzer. Bischofsburger wissen zu feiern, die Tanzfläche leert sich nicht, solange der Musikus sein Repertoire erfolgreich strapaziert; die Bar wird gerne und oft gestürmt. Ach, - und natürlich wird plachandert ...

     Als es gegen Zwölf geht, entzünden Anneliese, Heinrich und Reinhard die Teelichte - Zeit für das Lagerfeuer, den magischen Moment der Gemeinschaft. Wir stehen im Kreis um die Kerzen, dicht bei dicht, umarmen uns, ganz gleich ob wir uns gut kennen oder nicht. Jetzt sind wir alle eines: Bischofsburger, auch ich, die Nachgeborene. Und wir singen: Kein schöner Land ... -das Lied bekommt eine andere Bedeutung: Birkenwälder scheinen uns zu umgeben, sanft gehügeltes Land, die blassblauen Augen der masurischen Seen ... Guten Abend, gute Nacht... Das Schlaflied unserer Kindheit wird zum freundlich wehmütigen Abschied von dieser so weit entschwundenen Zeit. Und schließlich das Ostpreußenlied ... Land der dunklen Wälder. Wir sind noch näher zusammengerückt, halten uns. Ein Schauer, der mir die Tränen in die Augen drückt. Ein Land besinge ich mit aller Kraft - ein Land, das ich nicht kenne, nicht wirklich - aber es fühlt sich an, als hätte ich endlich Wurzeln, hier in dieser Gemeinschaft.

     Die Vertriebenen sind in den Westen gekommen ohne ihre Heimat, ohne ihre Gräber, ohne ihre gewachsenen Strukturen. Sie haben, wie auch meine Familie, fleißig geschafft, sich eine neue Existenz aufgebaut, haben am neuen demokratischen Deutschland mitgewirkt. Aber da war auch Ablehnung, Ablehnung, die wir Nachgeborenen genauso zu spüren bekamen: "Nein, dies ist unser Land, nicht das Eure ..." Mittlerweile gehört auch diese Haltung der Vergangenheit an, aber das Gefühl einer verlorenen, unbekannten Heimat blieb.

     Vielleicht halten wir uns deshalb alle so fest in den Armen, wenn wir Land der dunklen Wälder singen, vielleicht bin ich nicht die einzige, die weint...

      Keine Bange, der Abend endet an der Bar; und da werden ganz andere Lieder gesungen.3. Tag - 23.08.2009:

     Es ist Sonntagmorgen, Zeit für den Kirchgang. Alle haben sich fein gemacht. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Bischofsburger erzählen, daß man sich im Städtchen stets chic anzuziehen wußte. Danach ist Zeit für einen Stadtbummel durch Nieheim: Ein Stück Käse aus der Käserei, eine Wurst vom Weideschwein, etwas zum Mitbringen für die Daheimgebliebenen. Nach dem Mittagessen dann der obligatorische Fototermin. Es ist doch erstaunlich, daß immer wieder neue Methoden erfunden werden, alle gut ins Bild zu rücken. Wir "Jüngeren" steigen unter Juchzen auf eine gefährlich schwankende Bank mit für unser üppiges Lebendgewicht ziemlich dünnen Latten.

      Am Nachmittag werden noch einmal Filme gezeigt, doch die Reihen sind gelichtet, das Wetter ist zu schön, die Gespräche werden ins Freie verlegt. Die Bischofsburger tun sich im Städtchen zusammen, sammeln auf der Streuobstwiese Pflaumen, laben sich in der italienischen Eisdiele, bummeln durch den Kurpark. Alleine bleibt hier keiner.

     "Wir sind schließlich eine Herde", würde Sid, das Faultier aus dem Film IGE AGE sagen.

     Der bunte Abend beginnt mit einiger Verspätung um 20 Uhr, dafür findet die Bar heftigen Zuspruch. Die Tageslosung Die Frau sei dem Manne Untertan geht in Buhrufen unter, schließlich sind 53 der 87 Teilnehmer weiblich - und gestandene dazu. Die Vorträge zum Thema sind vielfältig, zwischendurch kühlt Hans-Jürgen die Gemüter mit ein paar Liedern ab. Zuerst will es scheinen, als hätten wir mit unseren legendären Unterhaltungskünstlern auch die Motivation verloren, doch - je später der Abend, desto mehr schält sich der eine oder andere Künstler aus der Menge. Es wird herz-lich gelacht bei Sketchen und munteren Geschichten. Und man spürt schon, da werden im nächsten Jahr noch ein paar mehr zum Mikrophon greifen. Nur Mut!4. Tag - 24.08.2009:

      Erstaunlich, wie schwer der Abschied fällt. Wir umarmen uns, nicht nur einmal, wir winken den Abfahrenden zum Abschied. Möge Gott uns ein Wiedersehen bescheren im nächsten Jahr zu unserem 25. Jubiläumstreffen vom 27. bis 30. August 2010 in Nieheim im Weberhaus...

Gisela Heese

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